Rationieren bedeutet, medizinisch begründete Leistungen künstlich zu verknappen. Dies hiesse zum Beispiel, einer Patientin eine Hüftoperation zu verweigern, weil sie ein bestimmtes Alter überschritten hat und der Eingriff aus Altersgründen als nicht mehr als lohnenswert beurteilt wird.
Im Jahr 2016 bestätigte das Bundesgericht nach jahrelangem Rechtsstreit ein Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen, das wegweisende Auswirkungen für Patienten mit seltenen Krankheiten hat. In dem Urteil wird die Krankenkasse KPT aufgefordert, für die lebensnotwendige Behandlung einer Patientin aufzukommen, die an der seltenen neuromuskulären Erkrankung Morbus Pompe leidet. Das entsprechende Medikament wird in der Spezialitätenliste geführt, jedoch hatte die Krankenkasse die Kriterien für die Aufnahme des Medikaments in die Spezialitätenliste kritisiert (speziell die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit). Sie lehnte deshalb die Uebernahme der Behandlungskosten ab. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil entschieden, dass die Patientin die Bedingungen für die Übernahme der Kosten gemäss der Spezialitätenliste erfüllt, und eine Einsprache der Krankenkasse gegen Aufnahme oder Preis des in der Spezialitätenliste aufgeführten Medikaments nicht berechtigt ist. Die ist ein sehr wichtiges Urteil für alle von seltenen Krankheiten Betroffenen, weil es dazu beitragen kann, Behandlungslücken bedingt durch langwierige Verfahren zukünftig zu verhindern und mehr Behandlungsgerechtigkeit in der Schweiz zu erreichen.
Zwei-Klassen-Medizin vermeiden
Der Zugang zur Innovation muss auch in Zukunft sichergestellt sein. Stark vereinfachende Methoden und fixe Kostenschwellen für einzelne Leistungen stehen dagegen zu Recht in der Kritik. Es sind Rationierungsinstrumente, die fundamentale gesellschaftliche Werte ignorieren und von der Schweizer Stimmbevölkerung nicht akzeptiert werden. Rationierung bedeutet in der Realität immer auch eine Zwei-Klassen-Medizin. Denn von Leistungen, die von der Krankenversicherung nicht mehr erstattet werden, sind wirtschaftlich schwache Personen zwangsläufig ausgeschlossen. Der bewährte Grundsatz der sozialen Krankenversicherung, wonach alle Patientinnen und Patienten – unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation und Leistungsfähigkeit – Anspruch auf das medizinisch Notwendige haben, lässt sich mit einer Zwei-Klassen-Medizin und Rationierung nicht vereinbaren. Die Schweiz hat ein qualitativ gutes Gesundheitswesen, das auf der Solidarität mit den Kranken und Schwachen in der Gesellschaft beruht.
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