Das schweizerische Gesundheitswesen gilt im internationalen Vergleich als qualitativ hochstehend. Viele Reformvorhaben sind allerdings von reinen Kostenüberlegungen getrieben. Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, wenn sich die Reformdiskussion zurzeit vor allem noch um die Finanzierung, konkret um die Krankenversicherer, und nicht um die Leistungen des Gesundheitssystems dreht. Es ist unerlässlich, im schweizerischen Gesundheitssystem wieder vermehrt Qualitätsdiskussionen zu führen, statt dies in der Kostendiskussion untergehen zu lassen.
Zur Versachlichung der Kostendiskussion tragen Health Technology Assessments (HTA) bei. Sie sollen eine Basis für mehr Qualität wie auch Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bilden. Ein aktuelles Beispiel ist die Klärung des Stellenwerts von Cannabis in der Medizin. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sieht auf Grund eines Auftrages des Bundesrats vor, ein Health Technology Assessment zur Einschätzung der wissenschaftlichen Evidenz von Cannabis in verschiedenen Indikationen, z.B. zur Behandlung von chronischen Schmerzen oder Spasmen bei Multipler Sklerose, in Auftrag zu geben. Damit soll insbesondere die Wirtschaftlichkeit und damit verbunden die Form der Finanzierung von Cannabisarzneimitteln geklärt werden. Auf Grund der Erfahrungen und aktuellen Diskussionen zu einem übermässigen Konsum von Opioiden wird angeregt, auch den Aspekt «Public Health» im Rahmen des HTAs aufzunehmen.
Zurzeit fokussieren die HTA-Aktivitäten des Bundes stark auf die Wirksamkeitsüberprüfung von Arzneimitteln. Diese werden allerdings als einzige Leistungen im Gesundheitswesen bereits institutionalisiert und alle drei Jahre auf ihre Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft. Interpharma setzt sich daher für einen breiteren und ausgewogeneren Themenfokus ein, damit HTAs generell zur Qualitätssteigerung im Schweizer Gesundheitswesen beitragen können.
Zweiklassenmedizin als Folge von Rationierung
Der Segen einer immer höheren Lebenserwartung ist mit immensen Herausforderungen für die Forschung und für die Gesellschaft insgesamt verbunden. Es sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch ethische und moralische Aspekte, welche die künftige Gesundheitspolitik prägen werden. Wie viel darf ein zusätzliches Lebensjahr kosten, lautet die Frage, welche die Gesundheitsökonomen angesichts der steigenden Kosten umtreibt. Rechenmodelle gibt es verschiedene, doch münden sie immer in einer Rationierung der medizinischen Leistungen. Die Pharmaindustrie lehnt einen solchen Ansatz ab, da er unweigerlich zu einer Zweiklassenmedizin führt.
Es geht also nicht in erster Linie um wirtschaftliche Entscheide, sondern auch um soziale und noch viel mehr moralisch/ethische. Die entsprechende Diskussion ist in der Schweiz zwar angelaufen, wird aber noch zu wenig breit geführt. Gleiches gilt für die palliative Medizin. Zwar gibt es ein Versuchsregime des Bundes und eine zunehmende Akzeptanz, doch besteht über die Abgrenzung zur kurativen Therapie nach wie vor ein grösserer gesellschaftlicher Diskussionsbedarf.
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