Wachsende Gesundheitskosten sind ein grosses Thema und damit rücken auch Medikamentenpreise immer wieder in den Fokus. Um die tatsächlichen Kosten korrekt einzuschätzen, spielt aber die Berechnungsgrundlage eine entscheidende Rolle. Wir ordnen ein, gestützt auf die Zahlen des Bundesamts für Statistik.
Die Schweizer Bevölkerung schätzt die hohe Qualität der Gesundheitsleistungen. Sie möchte darauf ebenso wenig verzichten wie auf einen breiten Leistungskatalog in Grund- und Zusatzversicherungen. Hohe Ansprüche an das Gesundheitswesen, immer mehr und immer bessere Leistungen haben wiederum ihren Preis. Die Kosten sind daher der meistdiskutierte Aspekt des Gesundheitswesens und es ist richtig und wichtig, darüber zu debattieren. Dabei ist jedoch zu beachten, dass seriöse Aussagen nur auf der Basis solider und aussagekräftiger Berechnungsgrundlagen möglich sind. Interpharma bezieht sich daher jeweils auf die auf Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS), des nationalen Kompetenzzentrums der öffentlichen Statistik der Schweiz.
Laut den aktuellsten und definitiven Zahlen des BfS betrugen die Ausgaben für das Gesundheitswesen in der Schweiz 2020 insgesamt 83.3 Mrd. Franken. Das entspricht gegenüber dem Jahr 2019 einem Wachstum von +1% und liegt damit unter dem Trend der Vorjahre. Den Grossteil der Kosten, rund zwei Drittel, laufen über die Sozialversicherungen und die öffentliche Hand (Bund, Kantone, Gemeinden). Etwa ein Fünftel der Kosten tragen direkt die privaten Haushalte. Rund zwei Drittel – und damit den Löwenanteil – der gesamten Gesundheitskosten machen die ambulante (24.2%), bzw. stationäre Kurativbehandlung (19.5%) sowie die Langzeitpflege (20.7%) aus. Demgegenüber tragen Medikamente mit 9.7 Mrd. Franken zu den gesamten Gesundheitsausgaben bei (11.7%).
Der Anteil bei den Kosten der Obligatorischen Krankenversicherung (OKP) betrug im Jahr 2020 21%. Da im Gegensatz zu anderen Leistungsgruppen (z.B. stationäre Kurativbehandlungen) rund drei Viertel der Medikamente über die Krankenversicherung finanziert werden, ist der Anteil an den OKP-Kosten höher als an den Gesamtkosten. Schaut man sich also den «gesamten Kuchen» an (vgl. Grafik weiter oben), wird deutlich, dass der Anteil der Medikamente an den Gesundheitskosten mit 11.7% im Jahr 2020 zwar wesentlich, aber längst nicht dominant. Somit lässt sich sagen: Von 100 Franken, die im Gesundheitswesen ausgegeben werden, werden knapp 12 Franken für Medikamente aufgewendet. Der Blick auf den Zeitverlauf macht zudem deutlich, dass der Anteil der Medikamente an den Gesundheitskosten seit vielen Jahren stabil ist.
Medikamentenpreise sind kein Kostentreiber im Gesundheitssystem
Etwas anders präsentiert sich das Bild bei anderen Leistungen im Gesundheitswesen. In den vergangenen 10 Jahren sind die Gesundheitskosten um durchschnittlich +2.9% gewachsen. Mit einer Zunahme von +2.5% ist das Ausgabenwachstum für Medikamente unterdurchschnittlich im Vergleich zu den gesamten Gesundheitskosten – und dies, obwohl viele innovative Medikamente auf den Markt kommen. Vor allem Bereiche wie Prävention oder Unterstützende Dienstleistungen (z.B. Labors, Transporte) wachsen sehr stark.
Der Preisindex für Medikamente sinkt zudem als einziger Preisindex im Gesundheitswesen seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) 1996 kontinuierlich. Mit 56 Punkten lag der Preisindex 2021 um 44% tiefer als 1996, während beispielsweise der Spitalpreisindex 2021 rund 11% höher war als 1996. Die Preise der kassenpflichtigen Arzneimittel werden alle drei Jahre überprüft und wo nötig gesenkt, was zu jährlich wiederkehrenden Einsparungen von über 1.2 Mrd. Franken im Gesundheitssystem führt. Damit erbringt die Pharmabranche überdurchschnittliche Einsparungen im Vergleich zu den anderen Akteuren des Gesundheitswesens.
In der teils sehr einseitigen Debatte um Gesundheitskosten geht zudem gerne vergessen, dass Medikamente nicht einfach nur ein Kostenfaktor für das Gesundheitswesen sind, sondern auch einen vielfältigen Nutzen haben können. Es ist daher auch hier hilfreich, einen Schritt zurück zu machen und das ganze Bild anzuschauen: Zwar belasten Krankheiten in erster Linie die Erkrankten. Häufig gibt es jedoch noch weitere Betroffene: So entstehen für die Krankenversicherer medizinische Behandlungskosten, für Arbeitgeber Produktivitätsverluste und auch das persönliche Umfeld der Erkrankten trägt die Folgen einer Krankheit mit. Wir können daher unterscheiden zwischen direkten Kosten (medizinische und nicht medizinische Behandlungskosten), indirekten Kosten (verloren gegangene Ressourcen, wie zum Beispiel die nicht mehr verfügbare Arbeitskraft infolge Krankheit) und intangiblen Kosten (reduzierte Lebensqualität), deren Summe den Kosten einer Krankheit für die Gesellschaft entspricht.
Innovative Medikamente können Auswirkungen auf alle drei Kostenarten haben: So steigen im Allgemeinen bei einer Innovation die direkten Behandlungskosten, während die indirekten und die intangiblen Kosten sinken – wenn es den Patienten besser geht oder sie sogar geheilt werden können, profitieren sie von verbesserter Lebensqualität und können häufig wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden, was wiederum die Sozialwerke entlastet. Daher ist zu erwarten, dass ein innovatives Medikament den gesamten «Kosten-Kuchen», der für die Betroffenen und die gesamte Gesellschaft aufgrund einer Krankheit entstanden ist, unter dem Strich kleiner machen kann – die gesellschaftlichen Kosten einer Krankheit sinken damit unter dem Strich. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist also entscheidend, ob die Gesamtkosten der Krankheit durch die neuartige Behandlung sinken. Die Entwicklung der Zusammensetzung der Gesamtkosten ist dabei zweitrangig.
Eine im Jahr 2022 publizierte Studie der Columbia University zeigt am Beispiel der Schweiz, dass neue innovative Medikamente in der Tat Auswirkungen auf alle drei Kostenarten haben. Lichtenberg (2022) analysiert den Zusammenhang zwischen pharmazeutischer Innovation und der vorzeitigen Sterblichkeit durch Krankheiten sowie Hospitalisierungen. Die Resultate zeigen, dass neue und innovative Medikamente in der Schweiz negativ mit der vorzeitigen und krankheitsbedingten Sterblichkeit assoziiert sind. Auch das Verhältnis von pharmazeutischer Innovation und Krankenhausauenthalten sowie die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus hängt negativ miteinander zusammen und führt so zu grossen Einsparungen im Schweizer Gesundheitswesen.
Fazit: Es ist gerade bei der Debatte um Gesundheitskosten lohnend, das «big picture» anzuschauen statt einzelner Ausschnitte. Medikamente sind nicht die Kostentreiber im Gesundheitswesen, sondern helfen sogar, die Kosten für die Gesellschaft zu reduzieren. Die Politik tut gut daran, den Kosten-Röhrenblick abzulegen und endlich eine nutzenbasierte Diskussion zu führen.
Konkret haben Arzneimittel, die zwischen 1990 und 2011 in der Schweiz neu auf den Markt kamen, die Mortalität bei unter 85-Jährigen um etwa ein Drittel reduziert. Ferner zeigt Lichtenberg (2022), dass Arzneimittelinnovationen, die zwischen 1994 und 2010 auf den Markt gelangten, dazu geführt haben, dass Menschen zum Beispiel im Jahr 2019 über zwei Millionen Tage weniger im Krankenhaus verbringen mussten. Die Einsparungen durch weniger Krankenhausaufenthalte lassen sich im selben Jahr auf über drei Milliarden Franken beziffern. Eine grosse Entlastung, nicht nur für das Schweizer Gesundheitswesen, sondern und auch für die Patientinnen und Patienten in der Schweiz.
Fazit: Der Schein trügt also. Ein Anstieg der sichtbaren und direkten Kosten reduziert die Gesamtkosten, die die Gesellschaft zu tragen hat.
Interpharma ist der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz und wurde 1933 als Verein mit Sitz in Basel gegründet.
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