Was es braucht, um den Patientenzugang in der Schweiz zu verbessern - Interpharma

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6. Juni 2024

Was es braucht, um den Patientenzugang in der Schweiz zu verbessern

Die Schweiz hat schon seit Jahren ein zunehmendes Problem beim Patientenzugang zu innovativen Arzneimitteln. Wo steckt der Wurm drin? Und was muss nun passieren?

Um den Herausforderungen im Schweizer Gesundheitswesen gerecht zu werden, muss neben dem Kosten- auch der Versorgungsaspekt Teil der Diskussion sein. Hier haben wir heute ein ernstes Problem: Betroffene warten im Schnitt mehr als 300 Tage, bis ein neu zugelassenes Medikament von den Krankenkassen vergütet wird und es damit für sie zur Verfügung steht – das ist mehr als das Fünffache der gesetzlichen Frist.

Hinzu kommt: In der Schweiz sind bedeutend weniger Medikamente verfügbar als etwa in unseren Nachbarländern. Konkret heisst das: Von den Medikamenten, die von der europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen wurden, sind in der Schweiz nur etwas mehr als die Hälfte für Patientinnen und Patienten (via die Spezialitätenliste) verfügbar. Der Gesundheitsmonitor, eine repräsentative Befragung unter 1200 Stimmberechtigten,  zeigt, dass die Befragten Qualität und Zugang erwarten und nicht nur die Kosten in den Vordergrund stellen. Dies sieht auch der Gesetzgeber so.

Im Zulassungs- und Vergütungsprozess kommt es aktuell an mehreren Stellen zu Verzögerungen, die sich auf den Zugang zu Medikamenten auswirken. Die Hauptursache ist, dass die Prozesse wenig planbar und nachvollziehbar ablaufen. So dauert es viel zu lange von der Zulassung eines Medikaments bis zur Aufnahme in die Spezialitätenliste. Denn erst wenn ein Medikament auf der Spezialitätenliste ist und ein Preisschild hat, wird es von den Krankenkassen erstattet und ist somit für Patientinnen und Patienten verfügbar. Das Ziel muss daher sein, den Zulassungs- und Vergütungsprozesses fortschrittlicher, planbarer und effizienter zu machen.

Deshalb hat Interpharma vor rund drei Jahren das Modell des rückvergüteten Innovationszugangs (RIZ) vorgeschlagen, welches nun auch Bestandteil des Kostensenkungspakets 2 ist. RIZ sieht vor, dass ein Medikament ab dem Tag der Zulassung für Patientinnen und Patienten verfügbar ist. Vergütet wird das Medikament zu einem vom Bundesamt für Gesundheit festgelegten provisorischen Preis, der auf maximal zwei Jahre befristet ist. Wir schlagen vor, dass dieser provisorische Preis dem Durchschnittspreis im vergleichbaren europäischen Ausland entsprechen soll. Sobald der definitive Preis vom BAG festgelegt wurde, wird eine allfällig zu viel bezahlte Differenz von der Herstellerfirma an die Krankenkassen zurückerstattet. Damit beschleunigen wir in erster Linie den Prozess und gewinnen Zeit. Zeit, die für Patientinnen und Patienten lebenswichtig sein kann. Hier würden wir uns wünschen dass das Parlament diesen Prozess nicht unnötig einschränkt und verbürokratisiert, was die SGK-S aus unserer Sicht getan hat.

Diese Massnahme hilft, genügt aber noch nicht. Wir brauchen auch eine umfassende Modernisierung des Preisbildungssystems. Denn die Grundlagen, die aktuell für die Preisbildung für Medikamente herangezogen werden, sind nicht mehr zeitgemäss und führen zu Rechts- und Planungsunsicherheit für die Herstellerfirmen.

Unser Vorschlag für eine Modernisierung baut auf verschiedene Elemente. Sie können an einen Hamburger denken, wo einzelne Zutaten zusammen das Ganze ausmachen:

Die Basis – oder das untere Brötchen – bildet wie heute der Auslandpreisvergleich.

Danach folgt – als erste Schicht – der therapeutische Quervergleich. Auch er wird bereits heute hinzugezogen. Er vergleicht ein neues Medikament mit solchen, die für dieselbe Krankheit bereits auf dem Markt sind. Wichtig ist dabei, dass mit Medikamenten auf Augenhöhe verglichen wird. Also, dass man ein iPhone nicht mit einem alten Nokia vergleicht, nur weil man mit beiden telefonieren kann. Wichtig ist hier auch die Vorher- und Nachvollziehbarkeit der Auswahl des Vergleichsprodukts.

Auch muss – als zweite Schicht – der tatsächliche Nutzen eines Medikamentes für Patienten und das Gesundheitssystem berücksichtigt werden. Es braucht also eine strukturierte Nutzenbewertung eines Medikamentes mit klaren Kriterien.

Als oberes Brötchen, das den Hamburger vervollständigt, folgt ein Mechanismus zur Budgetkontrolle, im BAG-Deutsch Kostenfolgemodell genannt. Kostenfolgemodelle sind nichts anderes als ein Rabatt auf einen festgelegten Umsatz. Da man aber nicht über Rabatte sprechen kann, ohne zuvor einen Preis festzulegen, sind die Kostenfolgemodelle integraler Bestandteil des Preissystems. Sie können nicht losgelöst davon behandelt werden.

Der Hamburger – um bei diesem Bild zu bleiben – schmeckt nur dann richtig gut, wenn alle Zutaten aufeinander abgestimmt sind. Erst die Kombination macht es aus. Gleiches gilt für die Modernisierung des Preisbildungssystems. Wenn wir die Kombination nicht richtig hinkriegen, werden Patientinnen und Patienten in der Schweiz weiterhin ein Jahr und mehr auf ihre Therapie warten müssen.

Die Pharmaindustrie ist bereit, für Kostenfolgemodelle Hand zu bieten. Diese sind aber in eine Gesamtmodernisierung der Preisbildung einzubetten. Interpharma hat Vorschläge präsentiert und das BAG hat zugesichert, diese Aufgabe gemeinsam mit den Stakeholdern parallel zur KVG-Revision aufzunehmen. Bis zur Debatte im Nationalrats-Plenum muss ein Entwurf der Verordnungstexte vorhanden sein.

Georg Därendinger

Mitglied der Geschäftsleitung / Leiter Kommunikation

+41 79 590 98 77

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