Die Pandemie besiegen wir nicht trotz, sondern dank des Patentrechts - Interpharma

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3. Dezember 2021

Die Pandemie besiegen wir nicht trotz, sondern dank des Patentrechts

Das beunruhigende Auftauchen der neuen Omikron-Variante von COVID-19 verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig fortwährende Forschungsanstrengungen gegen Virusmutationen und künftige Pandemien sind. Eine Schwächung des Patentschutzes, wie er an der 12. WTO-Ministerkonferenz diskutiert werden sollte, würde diese Fortschritte aber akut gefährden und einer gerechten Impfstoffverteilung nichts nützen. Ein robuster Schutz geistigen Eigentums ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung im Kampf gegen die Pandemie.

Die Entdeckung einer neuen Variante (B1.1.1.529) von COVID-19 in Südafrika und das Auftreten von Fällen in ganz Europa und mittlerweile auch in der Schweiz führen erneut zu viel Unsicherheit und voraussichtlichen Einschränkungen im öffentlichen Leben. Derweil versuchen Forschende fieberhaft, die möglichen Auswirkungen der «Omikron»-Variante zu bewerten. All dies geschieht zu einem besonders heiklen Zeitpunkt, weil saisonal bedingt auch andere Krankheiten wie Grippe vermehrt auftauchen und wir vor allem einen Anstieg der COVID-19-Fälle durch die vorherrschende Delta-Variante in ganz Europa beobachten.

 Diese schwierige Situation verdeutlicht, dass die gemeinsamen Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie in zwei Schlüsselpunkten verstärkt werden müssen: Erstens muss der Zugang der Menschen zu COVID-19-Impfungen weltweit verbessert werden. Zweitens ist entscheidend, dass die Erforschung, Entwicklung und Bereitstellung neuer Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe gegen COVID-19 weiterhin mit absoluter Priorität verfolgt wird, gerade hinsichtlich der Bekämpfung neuer Varianten und der Vorbereitung auf künftige Pandemien.

Schwächung des Patentschutzes wäre gefährlich und kontraproduktiv

 Die Welthandelsorganisation (WTO) sollte in den nächsten Tagen in Genf eine Ministertagung abhalten, die nun pandemiebedingt aber verschoben wurde. Zu den Themen, die auf der WTO-Ministertagung erörtert werden sollten, gehört ein Vorschlag zwei Länder, das TRIPS-Abkommen[1] während der COVID-19 Pandemie (grösstenteils) zu suspendieren. Betroffen wären die Rechte in Bezug auf alles, was in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie steht (Patentrechte, Designs, Geschäftsgeheimnisse, Urheberrechte) und würde so nebst Impfstoffen auch Medikamente und Medizinprodukte treffen. Durch einen Verzicht auf Patentrechte an COVID-19-Impfstoffen soll angeblich die globale Gerechtigkeit bei der Impfstoff-Verteilung bzw. die Produktion von COVID-19-Impfstoffen gefördert werden.
Es muss eindeutig unser gemeinsames Ziel sein, die Menschen auf der ganzen Welt so schnell wie möglich zu impfen, denn vorher wird die Pandemie kaum enden. Doch die von diesen Ländern vorgeschlagene “Lösung” würde diese Bemühungen behindern statt fördern:

Zum einen verkennen solche Vorschläge die starken (und freiwilligen) Bestrebungen der Pharmaunternehmen für einen schnellen und gerechten weltweiten Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten: Mehrere Pharmakonzerne haben sich dazu verpflichtet, ihre Impfstoffe auf einer nicht gewinnorientierten Basis anzubieten, andere haben ihre Preise für verschiedene Länder differenziert, um auch ökonomisch schwächeren Regionen Zugang zu ermöglichen. Pharmaunternehmen arbeiten zudem mit lokalen Partnern zusammen und engagieren sich in verschiedenen Plattformen und Initiativen.[2]

Zum anderen wurden Impfstoffe in Rekordzeit entwickelt, eben auch weil Firmen die Rechtssicherheit und Ressourcen haben, die mit einem robusten System zum Schutz ihres geistigen Eigentums einhergehen. Der Patentschutz ist die Basis für den Wissenstransfer an ausgewählte Partner, um so die Produktionskapazitäten auszubauen. Diese Partnerschaften haben sich sehr bewährt. Angesichts des hohen Ausfallsrisikos (wie in der letzten Zeit mehrfach beobachtet werden musste) und den gleichzeitig hohen Investitionen, die Unternehmen schultern müssen, würde eine Aushöhlung des Patentschutzes zu Unsicherheit führen und solche Forschungsaktivitäten in Zukunft gefährden oder sogar verunmöglichen.

Omikron-Variante als Warnsignal

Ausnahmeregelungen vom TRIPS-Abkommen würden die Anreize für die weitere Erforschung neuer Diagnostika, Impfstoffe und Therapeutika für COVID-19 gerade dann untergraben, wenn wir sie am dringendsten benötigen. Omikron ist ein Warnsignal und sollte uns bewusst machen: Die Pandemie besiegen wir nicht trotz, sondern dank eines robusten Schutzes des geistigen Eigentums.

 Wir wissen inzwischen gut, dass es bei der Herstellung von Impfstoffen nicht einfach nur um die Produktion geht, sondern dass die Bekämpfung neuer Varianten und neu auftretender Bedrohungen kontinuierliche Forschung und Entwicklung voraussetzt, und dass diese Forschungsanstrengungen durch einen robusten Schutz des geistigen Eigentums gefördert werden. Seit der Ausrufung der COVID-19-Pandemie ist die Produktion auf 9,3 Milliarden Dosen Impfstoffe (Oktober 2021) gestiegen, was einem Zuwachs von über 1,2 Milliarden Dosen pro Monat entspricht. Bei diesem Tempo wird diese Zahl bis Dezember 2021 auf etwa 12 Milliarden Dosen ansteigen. Um das Problem der globalen Impfstoffverteilung wirklich anzugehen, braucht es gemeinsame Anstrengungen in fünf Schritten:

  • Die Solidarität und den Austausch von Impfstoff-Dosen zwischen den Ländern verstärken
  • Die Produktion weiter optimieren
  • Alle Handelshemmnisse beseitigen, die globale Lieferketten behindern können
  • Die Bereitschaft der Länder zur Durchführung von Impfprogrammen unterstützen
  • Weitere Innovationen vorantreiben und nicht ausbremsen.

Patentschutz ist Teil der Lösung, nicht des Problems

 Die erste Sequenzierung der Omikron-Variante zeigt rund 50 Mutationen, von denen 30 das Spike-Protein betreffen. Noch braucht es weitere Untersuchungen, aber es besteht die Befürchtung, dass die bestehenden Impfstoffe gegen die neue Mutation weniger wirksam sein könnten. Umso wichtiger ist es jetzt, dass alle, die an der Entdeckung, Entwicklung und Bereitstellung von Impfstoffen beteiligt sind, in den oben erwähnten Punkten kontinuierlich weiter zusammenarbeiten, um weltweit und koordiniert gegen die COVID-19-Varianten vorzugehen.

Es ist absolut prioritär, die Forschung und Entwicklung gegen COVID-19 (und vieler anderer Krankheiten) fortzusetzen, um gegen neue Varianten rechtzeitig gewappnet zu sein. Die Wirksamkeit der Impfstoffe schlägt sich in der geringeren Zahl von Krankenhausaufenthalten und schweren Erkrankungen eindeutig nieder. Es ist daher wichtig, dass die Menschen auf der ganzen Welt möglichst schnellen Zugang zu wirksamen Impfstoffen haben. Für den Sieg gegen das Virus braucht es Gerechtigkeit bei der Verteilung der Impfstoffe, weitere Forschungsanstrengungen und einen robusten Schutz des geistigen Eigentums.


[1] Internat. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums

[2] https://www.ifpma.org/resource-centre/pharma-innovation-delivers-covid-19-solutions-beyond-expectations-but-calls-for-the-dilution-of-intellectual-property-rights-are-counteproductive

Dr. René P. Buholzer

Geschäftsführer

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