Serie Gesundheitsdaten 1/2: Digitale Gesundheitsdaten: Wie die Schweiz den Anschluss schaffen kann - Interpharma

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10. November 2020

Serie Gesundheitsdaten 1/2: Digitale Gesundheitsdaten: Wie die Schweiz den Anschluss schaffen kann

Die digitale Transformation hält im Schweizer Gesundheitswesen nur sehr langsam und zögerlich Einzug. Immer noch fehlt es an grundlegenden Online-Dienstleistungen, welche Behandlungen kostengünstiger und kundenfreundlicher gestalten. Ohne ein Gesundheitsdaten-Ökosystem mit personenbezogenen Daten läuft die Schweiz Gefahr, den internationalen Anschluss im Gesundheitswesen und der entsprechenden Forschung zu verlieren.

Seit Jahren sind wir uns gewöhnt, dass die verschiedensten Branchen durch digitale Innovationen das gesamte System verbessern. Wir können von überall aus auf unsere Finanzdaten zugreifen, uns Kleider mit einem Klick nach Hause liefern lassen oder Kinokarten auf unser Handy laden.

Im Bereich der Gesundheit hinken wir dem digitalen Trend jedoch massiv hinterher. Für Konsumenten beginnt dies schon bei ganz simplen Dingen wie beispielsweise der Online-Reservation eines Arzttermins. Bei der Erfassung und Verarbeitung personenbezogener Daten sieht es nicht viel besser aus. Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz in der Digitalisierung im Gesundheitswesen im hinteren Mittelfeld. 

Es geht nicht nur um Convenience: Digitale Gesundheitsdaten machen Behandlungen effizienter, patientenzentrierter und kostengünstiger – und sind nicht zuletzt aus der Forschung nicht mehr wegzudenken. Ein Gesundheitsdaten-Ökosystem, das grosse digitale Datenmengen, Big Data, verwalten kann ist also bereits lange überfällig.  

Digitale Daten über Patienten steigern Qualität und senken Kosten

Gesundheitsdaten beinhalten alle Daten rund um den Gesundheitszustand einer Person. Dies können beispielsweise Stammdaten (Alter, Name, Adresse etc.), Daten zur Krankengeschichte oder gesundheitsbezogene Informationen (Blutzuckerwert, Körperfett etc.) sein. Heute werden diese Daten in der Schweiz häufig noch ausschliesslich in physischen Patientenakten aufgeführt.  

Die Vorteile von digitalen Informationen über die Gesundheit einzelner Personen sind unbestritten. Gerade im jüngsten Beispiel, der Coronakrise, wären diese Daten in digitaler Form besonders nützlich gewesen: Ärzte hätten sich bei betroffenen Personen, die aufgrund des Virus in die Spitäler eingeliefert wurden, schneller ein Bild über Vorerkrankungen, Allergien und eingenommene Medikamente machen können. Dies hätte wiederum die Behandlung deutlich effizienter gestaltet. Selbst Bundesrat Berset räumte während einer Corona-Medienkonferenz ein, dass das elektronische Patientendossier (EPD) zur optimalen Behandlung der Patienten hilfreich gewesen wäre.

Auch für die Apotheken bietet die digitale Verarbeitung von personenbezogenen Daten grosse Vorteile: Mit dem EPD sehen die Verantwortlichen in der Apotheke sofort, wenn ein Kunde Medikamente kaufen möchte, die sich mit einem seiner anderen Arzneimittel nicht kombinieren lassen.

Weiter können mit einem einheitlichen elektronischen Patientendossier teure Doppelspurigkeiten vermieden und schlussendlich Kosten gespart werden. Denn alle behandelnden Ärzte haben Zugriff auf beispielsweise frühere Röntgenaufnahmen oder Resultate von Blutproben. Dadurch wird enorm Zeit gewonnen und Patienten sparen sich die Kosten für erneute Untersuchungen, welche bereits existieren. 

Grösste Befürchtung: Kontrollverlust über personenbezogene Daten

Gesundheitsdaten gehören aus gutem Grund zu unseren sensibelsten Daten. Missbräuchlich verwendet, können sie zu grossen Diskriminierungen führen: Banken könnten patientenbezogene Daten zur Bewertung von Bonität nützen, um über eine Kreditvergabe zu entscheiden. Krankenkassen wiederum dienten die Daten etwa zur Kalkulation von Risikopatienten. Folglich hätten sie dank der Einsicht in diese streng vertraulichen Daten die Grundlage, um Personen von Zusatzversicherungen auszuschliessen.

Viele befürchten, dass sie beispielsweise mit einem EPD die Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten verlieren. Dass die Auswertung von Gesundheitsdaten durch die Behörden jedoch förderlich sein kann, um beispielsweise auf den massiven Ausbruch einer Infektionskrankheit zu reagieren, zeigt das jüngste Beispiel der Contact Tracing-App in der Covid-19-Pandemie. 

In Dänemark ist man seit einigen Jahren sehr zufrieden mit dem gesetzlichen Beschluss zur digitalen Speicherung aller Krankheitsdaten. Obwohl auch dort der Schutz von Daten ein grosses Thema war, will heute in Dänemark kaum mehr jemand von der digitalen Verarbeitung zur physischen Dokumentation zurückkehren. Denn trotz aller möglichen Risiken, seien die Vorteile so gewaltig, dass diese stets überwiegen, meint Morten Elbäk Petersen, CEO des öffentlichen Gesundheitsportals. Damit ist Dänemark eines von vielen Ländern, welche positive Erfahrungen mit einem elektronischen Patientendossier machen. 

Globalisierte Gesundheitsdaten als Erfolgsfaktor

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird auch die Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln revolutionieren. Zum einen werden viel mehr Daten zur Verfügung stehen, die Forschende für ihre Analysen nützen können. Zum anderen helfen technische Errungenschaften wie künstliche Intelligenz dabei, die Datenanalyse zu optimieren.

Weiter wird die sogenannte Real World Evidence (RWE) in der Forschung immer wichtiger. Real World Evidence (RWE) sind Beweise, welche aus Real World Data (RWD) gewonnen werden. Der Begriff «Real World» meint in der Medizin, dass Beobachtungsdaten genommen werden, die nicht aus geplanten klinischen Studien stammen, sondern unter realen Alltagsbedingungen erhoben wurden. Denn in der Schweiz, mit ihrer verhältnismässig geringen Einwohnerzahl, ist die Verfügbarkeit passender Testgruppen für klinische Studien ein grosse Herausforderung. Als Alternative können deshalb Daten von Patienten verwendet werden, die bereits in digitalen Datenbanken existieren. Dank RWD könnten Schweizer Forschende auf Daten aus der ganzen Welt zugreifen und mit ihrer Hilfe Beweise herbeiführen, welche sich auf hunderte von Daten stützen. Solche Beweise werden entsprechend Real World Evidence genannt.

Die Basis für eine erfolgreiche Forschung sind immer öfter hochwertige und einfach zugängliche Gesundheitsdaten. Deshalb ist es essenziell, einen weltweiten Zugang zu solchen Daten zu ermöglichen.

Die Schweiz braucht ein Gesundheitsdaten-Ökosystem

Eine derartige Gesundheitsdatenbank bereitzustellen ist jedoch deutlich komplizierter als es scheint. Denn das zugrundeliegende Gesundheitsdaten-Ökosystem ist hochkomplex: Die Daten werden an verschiedensten Stellen gesammelt und müssen einer grossen Menge von Akteuren zugänglich sein. Sie müssen also von allen Erfassern (Ärzten, , Gesundheitsfachpersonen, Forschern und Studienleitern) in gleicher Qualität eingetragen werden und möglichst allen Ansprüchen der Stakeholder gerecht werden. Schliesslich bringen sich noch eine Reihe von anderen Stakeholdern, wie Patientenvertretern oder Regulatoren und Behörden ein, die ebenfalls einen berechtigten Anspruch auf Mitsprache haben.

Alle diese Akteure müssen für ein funktionierendes Gesundheitsdaten-Ökosystem am gleichen Strang ziehen. Dazu benötigt es grossen Koordinationsaufwand hinsichtlich Themen wie Data-Sharing, Schutz vor Missbrauch und Qualitätsrichtlinien, denn alle Interessengruppen möchten ihre Anliegen miteinbringen.

Will die Schweiz im Gesundheitsbereich und in der Forschung weiterhin einen Spitzenplatz einnehmen, muss die Politik jetzt optimale gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, um ein solches Gesundheitsdaten-Ökosystem aufzubauen. Denn die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet voran, Daten werden wichtiger und zwischen den zahlreichen verschiedenen Stakeholdern besteht ein grosser Diskussions- und Austauschbedarf. Die Forschung braucht einerseits den ungehinderten Austausch von schweizerischen und ausländischen Daten, andererseits gilt es, stets einen ausreichenden und gegenseitigen Datenschutz sicherzustellen.. Schliesslich können medizinische Behandlungen dank dem technologischen Fortschritt im Gesundheitswesen deutlich effizienter und patientenzentrierter werden, was allen beteiligten Stakeholdern aber insbesondere den Patienten zugutekommt.

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