Blogserie "Wer finanziert Medikamente?", Teil 2: mRNA - älter als gedacht - Interpharma

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26. Juli 2022

Blogserie “Wer finanziert Medikamente?”, Teil 2: mRNA – älter als gedacht

Dank der schnellen Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen war eine starke und wirksame Antwort auf die COVID-Pandemie möglich. Kritiker argumentieren, die Gesellschaft zahle doppelt für medizinische Innovationen: Zuerst über die Steuern für die staatliche Forschung und im Anschluss über die Krankenkassenprämien für die Beschaffung dieser Innovationen – so auch bei COVID-Arzneien und -Impfstoffen. In unserer Serie werfen wir einen Blick auf die Fakten – in Teil 2 am Beispiel der mRNA-Technologie.

Im ersten Teil dieser Serie haben wir gesehen, wie lang und steinig der Weg vom Labor bis zu einem funktionierenden Medikament ist. Bis ein Medikament oder eine Therapie bei den Patienten ankommt, sind 10 bis 15 Jahre Forschung und Entwicklung notwendig. Der grösste Teil der Projekte endet dennoch in Fehlschlägen und die Investitionen der Unternehmen zahlen sich nicht aus. Doch bei den mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 ging das alles rasend schnell – oder?

Fakt ist: Die Darstellung, die COVID-19-Impfstoffe seien von heute auf morgen entwickelt worden, ist falsch. Denn an der mRNA-Technologie, auf welcher die erfolgreichsten COVID-Impfstoffe basieren, wurde tatsächlich schon seit den 1990er Jahren geforscht. Doch es dauerte viele Jahre, bis Private das Potenzial der mRNA-Forschung erkannten – und noch viel länger, bis auch staatliche Fördergelder flossen. Mehr noch: Der Durchbruch bei der Entwicklung eines COVID-Impfstoffs auf mRNA-Basis im Jahr 2020 wäre nicht möglich gewesen ohne die Milliarden von Franken, die Private und Unternehmen über viele Jahre investierten. Es ist die beeindruckende Geschichte der Wissenschaftlerin Katalin Kariko sowie der Firmen Biontech und Moderna, die von der NZZ nachgezeichnet wurde.

Abbildung 1: Der Zeitstrahl visualisiert Meilensteine und Geldflüsse in der mRNA-Forschung. Quelle: NZZ (2022). Die genannten Finanzierungsströme erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

1997 erzählte Kariko dem Immunologen Drew Weissman an einem Kopierapparat beiläufig von ihrer mRNA-Forschung, für die sie keine Fördergelder einwerben konnte. Ihre Vision: Die sogenannte «Messenger-RNA» (mRNA) leitet Zellen an, bestimmte Proteine zu produzieren. Mit synthetischer mRNA könnte der Körper also quasi seine eigene Arznei gegen beliebige Krankheitserreger produzieren. Zellen würden so programmiert, dass sie zum Beispiel HI-Viren oder Krebszellen abwehren könnten.

Weissman erkannte das Potenzial des Ansatzes und unterstützte Kariko, indem er Geld aus einem anderen Projekt abzweigte. 2005 publizierten die beiden erste Ergebnisse. Sie gründeten eine Firma, erhielten aber kein Kapital. Derweil erfolgen die Firmengründungen von Biontech und Moderna (2008 bzw. 2010) – mit privatem Startkapital. Kariko nimmt 2013 ein Jobangebot von Biontech an und forscht fortan bei der noch jungen Firma, die noch nicht einmal eine Website hat. Beide Firmen glauben an die Technologie, schreiben aber bis zu den Börsengängen 2018 (Moderna) und 2019 (Biontech) Hunderte Millionen Franken Verluste. Ohne Wagniskapitalgeber und andere private Investoren, die bis zum Börsengang insgesamt 1.3 Milliarden (Biontech) bzw. 2.6 Milliarden (Moderna) einschiessen, hätte es die beiden Unternehmen bei Ausbruch der Coronapandemie nicht mehr gegeben.

Doch dank der privaten Kapitalgeber und der jahrzehntelangen Forschung an der mRNA Technologie gelingt es 2020 innerhalb kürzester Zeit, Impfstoffe gegen COVID-19 zu entwickeln. Staatliche Beteiligung war nicht entscheidend, denn erst 2020 fliessen erstmals nennenswerte staatliche Mittel (371 Millionen für Biontech, knapp 1 Milliarde für Moderna), vor allem um die Produktionskapazitäten schnell zu erhöhen. Der Forschungsdurchbruch war zu diesem Zeitpunkt aber bereits lange geschafft. Die staatlichen Mittel flossen erst, nachdem die Forschung erfolgreich und das Risiko für den erfolgreichen Endspurt klein war. Der Staat hat also das unternehmerische Risiko nicht übernommen, das in der Entwicklungsphase auftritt, wo der allergrößte Teil der begonnenen Projekte scheitert (siehe Teil 1). Doch wie sieht es ausserhalb von COVID aus? Das untersuchen wir im dritten Teil dieser Serie.


Alle Teile dieser Serie lesen:

Teil 1: COVID-19-Impfstoffe – Ein Erfolg mit Schattenseiten?

Teil 2: mRNA – älter als gedacht

Teil 3: Keine Innovation ohne private Investitionen

Teil 4: Pharmazeutische Innovationen kommen der Allgemeinheit zugute

Teil 5: Bewährte Innovationskooperation zum Wohle aller

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