Blogserie “Wer finanziert Medikamente?”, Teil 5: Bewährte Innovationskooperation zum Wohle aller - Interpharma

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16. August 2022

Blogserie “Wer finanziert Medikamente?”, Teil 5: Bewährte Innovationskooperation zum Wohle aller

Dank der schnellen Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen war eine starke und wirksame Antwort auf die COVID-Pandemie möglich. Kritiker argumentieren, die Gesellschaft zahle doppelt für medizinische Innovationen: Zuerst über die Steuern für die staatliche Forschung und im Anschluss über die Krankenkassenprämien für die Beschaffung dieser Innovationen – so auch bei COVID-Arzneien und -Impfstoffen. Wir machen den Faktencheck – in Teil 5 werfen wir einen Blick auf die Schweizer Innovationszusammenarbeit, wie sie der Gesellschaft zugutekommt und warum der Patentschutz so entscheidend ist.

Firmen wie Biontech oder Moderna gingen ein grosses unternehmerisches Risiko ein und hatten während Jahren grosse Schwierigkeiten, an die nötigen Investitionen für ihre Forschung an der mRNA-Technologie zu kommen. Nicht der Staat, sondern private Risikokapitalgeber leisteten die entscheidenden Beiträge dafür. Wie wir wissen, hat sich das Risiko für diese beiden Firmen schliesslich ausgezahlt. Aber nicht nur die Firmen und Investoren profitieren: angesichts des unternehmerischen Erfolges fliessen nun grosse Steuerbeträge an den Staat. Biontech beispielsweise zahlte allein im Jahr 2021 rund 1 Milliarde Steuern, was einem Vielfachen der staatlichen Beteiligung entspricht. Damit fliesst viel Geld an die Gesellschaft zurück. Die Allgemeinheit profitiert vom Gewinn erfolgreicher Pharmaunternehmen aber nicht nur via Steuern, sondern beispielsweise auch über die sogenannte Forschungszusammenarbeit:

Eine Forschungskooperation bezeichnet die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen privaten (Pharmafirmen, Startups etc.) und öffentlichen Institutionen (Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen etc.). Sie ist das Schlüsselelement für einen erfolgreichen Innovationsstandort. Sowohl die Akademie als auch die Privatwirtschaft profitieren stark von der Zusammenarbeit – etwa vom gegenseitigen Wissensaustausch, der Nutzung von Synergien bei der Infrastruktur oder dem Zugang zu den besten Talenten.

Abbildung 1: Schema der Innovationszusammenarbeit. Quelle: Interpharma (2021).

Über Forschungskooperation fliesst Geld an öffentliche Hand zurück

Vor allem aber: Komplexe Innovationen basieren meistens auf vielen vorangegangenen Erfindungen, die wiederum patentgeschützt sind. Wenn Firmen in der Forschung und Entwicklung auf bestehende Patente zurückgreifen, müssen sie dafür Lizenzgebühren zahlen. Nicht selten besteht auch eine Gewinnbeteiligung. Und weil die Inhaber von Patenten oft Universitäten oder Hochschulen sind, fliesst über solche Lizenzvereinbarungen mit Spin-offs und Pharmaunternehmen investiertes Geld ebenfalls an die öffentliche Hand zurück. Allein 2021 waren das im Falle von Moderna 400 Millionen Dollar an Lizenzgebühren.

Diese enge Zusammenarbeit mit Transfer von Wissen und Investitionen zwischen Privaten und der öffentlichen Hand im Bereich Forschung und Innovation ist insbesondere in der Schweiz eine historisch gewachsene Erfolgsgeschichte. Für den Innovationsstandort Schweiz ist diese partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Akademie, Start-Ups, Spin-Offs, Investoren und der forschenden Pharmaindustrie ein absolutes Schlüsselelement, weil sie die Stärken aller Akteure verbinden kann.

Gemäss swiTTreport gab es in der Schweiz 2020 insgesamt 3‘431 solcher Forschungskooperationen. Gesamthaft gab es 1‘467 Lizenzvereinbarungen und 2‘798 Patentvereinbarungen. Mit einem Anteil von 44% ist die Privatwirtschaft der wichtigste Forschungspartner der öffentlichen Institutionen.

Abbildung 2: Anzahl Forschungskooperationen von Schweizer Hochschulen

Lizenzeinnahmen nehmen stetig zu

Im Jahr 2020 wurden insgesamt 219 neue Vereinbarungen über geistiges Eigentum, in der Regel Lizenzen, gemeldet. Insgesamt wurden Ende 2020 1467 Lizenzen verwaltet, mehrheitlich von den Universitäten. Fast ein Drittel dieser Lizenzen führten zu Einnahmen bei den beteiligten Einrichtungen und Forschern. Diese Zahl hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, da immer mehr Produkte auf dem Markt verkauft werden, die auf Forschungsergebnissen solcher öffentlicher Forschungsinstitutionen beruhen. In den anderen Fällen resultierten die Einnahmen aus anderen Arten von Lizenzgebühren, z. B. Lizenzerteilungsgebühren oder Meilensteinzahlungen für Produkte, die sich noch im Entwicklungsprozess befinden.

Abbildung 4: Anzahl Lizenzvereinbarungen zwischen öffentlichen Institutionen und Forschungspartnern

Forschungszusammenarbeit ermöglicht Innovationen erst

Um die wirtschaftliche Verwertung der Forschungsergebnisse und damit den Zugang der Gesellschaft zu Innovation sicherzustellen, sind solche Forschungsverträge zwischen privaten und öffentlichen Institutionen essenziell. Denn viele der lizenzierten Technologien befinden sich in einem frühen Stadium und erfordern eine umfangreiche Entwicklung und grosse Investitionen durch den Lizenznehmer, beispielswiese ein Pharmaunternehmen. Es dauert oft mehrere Jahre, bis ein Produkt auf den Markt kommt. Außerdem ist das Entwicklungsrisiko bei jungen Technologien hoch, und eine beträchtliche Anzahl von Projekten wird eingestellt, bevor ein marktfähiges Produkt zur Verfügung steht. In vielen Fällen haben nur etablierte, erfolgreiche Pharmaunternehmen überhaupt die nötigen Ressourcen (Zeit, Geld, Personal, Infrastruktur), um ein Produkt zu entwickeln, marktreif zu machen und die jahrelangen Testphasen bis hin zur Zulassung zu absolvieren.

Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen und privaten Unternehmen ist nicht nur höchst erfolgreich, sondern die Einnahmen aus die Patent- oder Lizenzvereinbarungen ermöglichen es Universitäten und Hochschulen auch, diese Mittel wiederum in neue Forschungsprojekte zu investieren – und der Kreislauf beginnt von vorne.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Thema Patentschutz zeigt, dass die Rechte an geistigem Eigentum erstens eine wichtige Voraussetzung dafür sind, dass Innovationen überhaupt entstehen können – weil der Patentschutz Gewähr dafür ist, dass hochrisikobehaftete Investitionen (siehe Teile 1 und 2 dieser Blogserie) sich im – eher unwahrscheinlichen – Erfolgsfall auszahlen. Ohne einen angemessenen Schutz des geistigen Eigentums werden industrielle oder finanzielle Investoren in vielen Industriezweigen keine Investitionen in die Forschung und Entwicklung von Produkten in Betracht ziehen. Das Patentrecht dagegen ermöglicht eine auf Vertrauen und klaren Spielregeln basierende, freiwillige Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Firmen und das Teilen von Wissen unter Forschenden. Und schliesslich fliessen dank der Patent- bzw. Lizenzvereinbarungen mit Hochschulen wiederum hohe Beträge an die öffentliche Hand zurück. Die COVID-Pandemie hat deutlich gezeigt, dass dieses System erfolgreich ist und letztlich der Allgemeinheit verschiedentlich zugutekommt. Der Patentschutz ist also Teil der Lösung, nicht Teil des Problems.

Fazit

Damit ist es Zeit für eine Schlussbetrachtung. Wir haben die Frage aufgeworfen, wer Medikamente eigentlich finanziert – die Firmen oder doch die Gesellschaft, wie Kritiker behaupten? Der Blick auf die Fakten hat deutlich gezeigt: Sowohl in der Pandemie als auch in normalen Zeiten sind es die privaten Investoren, welche den Löwenanteil des Risikos auf sich nehmen. Ohne die Privaten ginge es nicht; nichtsdestotrotz ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privaten Unternehmen nicht nur wünschenswert, sondern gewinnbringend für alle Beteiligten, wie wir auch gesehen haben. Diese Zusammenarbeit gilt es, zum Wohle der Gesellschaft weiterzuführen.


Alle Teile dieser Serie lesen:

Teil 1: COVID-19-Impfstoffe – Ein Erfolg mit Schattenseiten?

Teil 2: mRNA – älter als gedacht

Teil 3: Keine Innovation ohne private Investitionen

Teil 4: Pharmazeutische Innovationen kommen der Allgemeinheit zugute

Teil 5: Bewährte Innovationskooperation zum Wohle aller

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Interpharma ist der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz und wurde 1933 als Verein mit Sitz in Basel gegründet.

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