Blogserie "Wer finanziert Medikamente?", Teil 1: COVID-19-Impfstoffe - Ein Erfolg mit Schattenseiten? - Interpharma

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19. Juli 2022

Blogserie “Wer finanziert Medikamente?”, Teil 1: COVID-19-Impfstoffe – Ein Erfolg mit Schattenseiten?

Dank der schnellen Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen war eine starke und wirksame Antwort auf die COVID-Pandemie möglich. Kritiker argumentieren, die Gesellschaft zahle doppelt für medizinische Innovationen: Zuerst über die Steuern für die staatliche Forschung und im Anschluss über die Krankenkassenprämien für die Beschaffung dieser Innovationen – so auch bei COVID-Arzneien und -Impfstoffen. In unserer Serie werfen wir einen Blick auf die Fakten.

Die forschende pharmazeutische Industrie leistet seit Beginn der COVID-Krise weltweit einen beispiellosen Effort zur Bewältigung der Pandemie – immer mit dem Ziel, sichere, wirksame Behandlungsmöglichkeiten und Impfstoffe für Patienten gegen Covid-19 auf den Markt zu bringen.

Kritiker entgegnen oft, dass Pharmaunternehmen mit diesen Medikamenten und Impfstoffen nun hohe Gewinne einfahren, während der Staat diese zuvor finanziert habe. Die Gesellschaft bezahle also zuerst über Steuern die Entwicklung der Innovationen (staatliche Forschungsausgaben, z.B. für Grundlagenforschung an Hochschulen oder Universitäten) und im Anschluss nochmals über die Krankenkassenprämien respektive weitere Steuern für die Beschaffung der Medikamente und Impfungen (sog. “paying twice”). Der Gewinn fliesse dann in die Taschen der Unternehmen. Was ist dran an diesem Vorwurf – wie viele Steuergelder fliessen in die Entwicklung von Arzneimitteln? Wir beantworten die Frage in dieser Serie am Beispiel der mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19.

Vom langen, steinigen Weg zum Erfolg

Mit aktuell mehr als 8’000 in der Entwicklung befindlichen Arzneimitteln treiben Pharmaunternehmen auf der ganzen Welt die Forschung in Prävention und Patientenversorgung stark voran, um Menschen z.B. mit Krankheiten wie Krebs, Alzheimer, Diabetes, Infektionskrankheiten, seltenen Krankheiten oder eben COVID-19 zu helfen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass der Erfolg in der Pharmaforschung alles andere als gewiss ist: In der Grundlagenforschung werden über 1 Million Substanzen untersucht. Um ein einzelnes Medikament auf den Markt zu bringen, werden im Schnitt rund 10’000 Substanzen weiterverfolgt, wobei 20 Substanzen es in die präklinische Phase schaffen. Davon werden nur rund zehn Substanzen weiter klinisch analysiert, bis eine davon zu einem wirksamen Medikament entwickelt werden kann. Die «Misserfolgsrate» beträgt ungefähr 98 Prozent. Fehlschläge gehören in der pharmazeutischen Forschung also zum Alltag. Gleichzeitig dauert die Arbeit an einem einzigen Medikament 10 bis 15 Jahre und kostet Milliardenbeträge.

Abbildung 1: Entwicklungsschritte der Medikamentenentwicklung. Quelle: Interpharma (2021).

Im Falle der COVID-19-Impfstoffe ist das nicht anders. Weltweit gibt es viele Unternehmen, Startups und Labors, die seit Beginn der Pandemie daran forschen, wie dem COVID-19-Virus Einhalt geboten werden kann. Bekannt sind im Falle der Impfstoffe vor allem jene, die zugelassen worden sind – zum Beispiel die auf der mRNA-Technologie beruhenden Impfstoffe von Biontech-Pfizer oder Moderna. Tatsächlich gibt es aber mehr als nur eine Handvoll solcher Projekte:

Insgesamt gab es Stand Mai 2022 weltweit ungefähr 696 COVID-19-Impfstoff-Projekte und knapp 1’800 Projekte für die Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19. Tatsächlich von Behörden zugelassen waren zu diesem Zeitpunkt nur 37 Impfstoffe (5,3%) und 36 Therapeutika (2%). Angesichts der geringen durchschnittlichen Erfolgsquote in der pharmazeutischen Forschung, ist anzunehmen, dass diese Werte nur noch unwesentlich steigen werden.

Abbildung 2: Pipeline von COVID-19-Therapeutika in den verschiedenen Phasen. Quelle: EFPIA; Airfinity (2022).
Abbildung 3: Pipeline von COVID-19-Impfstoffen in den verschiedenen Phasen. Quelle: EFPIA; Airfinity (2022).

Zwar ist es korrekt, dass die wenigen Pharmaunternehmen, die bei der Entwicklung von COVID-19-Medikamenten oder -Impfstoffen schnell und erfolgreich waren, derzeit hohe Umsätze erzielen können. Der grösste Teil der Unternehmen schreibt aber trotz hoher Investitionen gar keine Umsätze, denn nur wenige schaffen den steinigen Weg zum Erfolg. Angesichts des Verhältnisses von grossen Investitionen bei gleichzeitig geringen Erfolgschancen wird klar: Es handelt sich um ein Hochrisikogeschäft. Was bei COVID-19 gilt, gilt auch für viele andere Krankheiten: Viele Hersteller suchen aus den vielen guten nach der erfolgversprechendsten Idee, doch die meisten scheitern irgendwo unterwegs. Sie alle haben viel Zeit und finanzielle Ressourcen investiert – aber am Schluss kein Produkt, mit welchem sich die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung wieder ausgleichen liessen. Und staatliche Fördergelder erhalten ohnehin die wenigsten dieser Projekte.

Selbst wenn Medikamente die Marktzulassung erhalten, ist noch längst nicht gesichert, dass die Produkte auch wirtschaftlich erfolgreich sind, wie eine Studie aus den USA belegt: Vier von 17 untersuchten Medikamenten erzielten sehr hohe Umsätze, ebenfalls vier Medikamente kamen jedoch nicht auf genug Umsatz, um bei der Steuerbehörde überhaupt als Einnahme ausgewiesen werden zu können (vgl. Abb. 4).

Abbildung 4: Grosse Unterschiede: Während einige Medikamente hohe Umsätze erwirtschaften, spielen andere zugelassene Medikamente nicht einmal ihre Kosten für Forschung & Entwicklung ein. Quelle: Vital Transformation; Who Develops Medicines?: An Analysis of NIH Grants (2021).

Umso wichtiger ist deshalb, dass es Personen und Unternehmen gibt, die neue Wege einschlagen und auch unter schwierigen Bedingungen auf einen Durchbruch hinarbeiten, der vielleicht eines Tages (oder vielleicht auch nie) gelingt. Und es ist wichtig, dass es jene Personen gibt, die das Potenzial der Ideen Anderer erkennen, daran glauben und mit Risikobereitschaft die nötigen Investitionen tätigen.

Ohne genau solche Personen gäbe es heute die wohl erfolgreichsten Impfstoffe gegen COVID-19 beispielsweise nicht – die Geschichte dahinter beleuchten wir im zweiten Teil unserer Serie.


Alle Teile dieser Serie lesen:

Teil 1: COVID-19-Impfstoffe – Ein Erfolg mit Schattenseiten?

Teil 2: mRNA – älter als gedacht

Teil 3: Keine Innovation ohne private Investitionen

Teil 4: Pharmazeutische Innovationen kommen der Allgemeinheit zugute

Teil 5: Bewährte Innovationskooperation zum Wohle aller

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Interpharma ist der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz und wurde 1933 als Verein mit Sitz in Basel gegründet.

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