Blogserie Patientenzugang, Teil 1: Kosten und Nutzen innovativer Medikamente – ganzheitlich betrachtet
Die
gesellschaftlichen Kosten einer Krankheit haben vielseitige Aspekte – genauso
wie der Nutzen innovativer Medikamente und Therapien. Bei der Diskussion um
Medikamenten- und Gesundheitskosten ist es daher wichtig, das Gesamtbild zu
betrachten. Obschon viele Innovationen auf den ersten Blick «teuer»
daherkommen, können sie unter dem Strich nicht nur Leben retten, sondern auch
die gesellschaftlichen Gesamtkosten einer Krankheit massiv senken – sofern der
Patientenzugang gewährleistet ist.
Das Leben
aller Patientinnen und Patienten zu verbessern, ist ein grosser
Motivationstreiber von Forschenden in der pharmazeutischen Industrie. Auch wenn
noch viel zu tun bleibt: Die Forschung hat in den vergangenen Jahren und
Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Das bedeutet aber auch, dass
Medikamente und Therapien immer komplexer werden. Das schlägt sich in den Kosten
für Forschung und Entwicklung (F&E) nieder: Vom Labor bis zum marktreifen
Medikament dauert es im Schnitt 12 Jahre und die durchschnittlichen Kosten
betragen 2.5 Milliarden Dollar. Zudem ist die Forschung mit grossen Risiken
verbunden: nur einer von zehn Wirkstoffen, welcher die Phase der klinischen
Studien erreicht, gelangt letztendlich auf den Markt. Weil die Pharmabranche zu den mit Abstand
forschungsintensivsten Bereichen gehört, müssen innovative Medikamente die
nötigen Einnahmen generieren, um die hohen Ausgaben für F&E sowie für
Investitionen in nicht erfolgreiche Moleküle auszugleichen. Daher führt der
Preis von sehr komplexen und innovativen Arzneimitteln immer wieder zu grossen
medialen und politischen Diskussionen. Das ist legitim. Wichtig ist allerdings,
nicht nur isolierte Teilaspekte zu betrachten, sondern das ganze Bild
anzuschauen und in der Rechnung abzubilden.
Wie
berechnen sich die Kosten einer Krankheit?
Die Belastungen durch Krankheiten treffen in erster Linie die direkt erkrankten Menschen: Das Leid für die Betroffenen ist meist sehr gross und auch das persönliche Umfeld trägt die Folgen einer Krankheit mit. Herausfordernd sind auch die die Auswirkungen auf das Gesundheitssystem. So entstehen für die Krankenversicherer medizinische Behandlungskosten oder für Arbeitgeber Produktivitätsverluste, weil Arbeitnehmende krankheitsbedingt ausfallen. Bei den Kosten einer Krankheit kann deshalb unterschieden werden zwischen den direkten Kosten (medizinische und nicht-medizinische Behandlungskosten), den indirekten Kosten (aufgrund verlorengegangener Ressourcen bei Patienten und Angehörigen, z.B. Arbeitszeit) und den intangiblen Kosten (reduzierte Lebensqualität). Die Summe dieser drei Kostenarten ergibt schliesslich die gesamten gesellschaftlichen Kosten einer Krankheit.
Quelle: Polynomics (2020), Gesellschaftliche Betrachtung der Krankheitskosten.
Innovative Arzneimittel sind eine Form von Behandlungsinnovationen und können entsprechende Auswirkungen auf alle drei Kostenarten haben: Im Allgemeinen steigen bei der Markteinführung einer Innovation die direkten Behandlungskosten, während die beiden anderen Kostenarten sinken. Aus gesellschaftlicher Sicht ist schlussendlich die Entwicklung der totalen Kosten entscheidend. Die konkrete Zusammensetzung dieser Gesamtkosten ist dabei zweitranging: Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht können pharmazeutische Innovationen die Gesamtkosten einer Krankheit senken, selbst wenn die direkten Behandlungskosten aufgrund es Preises eines neuen Medikaments steigen – wenn etwa gleichzeitig die indirekten und die intangiblen Kosten massiv sinken; die Patienten erhalten etwa deutlich mehr Lebensqualität, sind nicht mehr pflegebedürftig oder können sogar wieder einer Arbeit nachgehen. Wissenschaftliche Studien belegen denn auch für die Schweiz, dass mehr Innovationen zu sinkender Sterblichkeit und weniger Hospitalisationen führen.[1] Das resultiert wiederum in grossen Einsparungen für das Gesundheitssystem.
Quelle: Polynomics (2020), Gesellschaftliche Betrachtung der Krankheitskosten.
Der Nutzen
innovativer Medikamente
Damit wird
offensichtlich, welchen Nutzen innovative Therapien haben. Hier lassen sich
ebenfalls mehrere Ebenen unterscheiden: Erstens profitieren Patientinnen und
Patienten direkt von der Chance auf Heilung, einer rascheren Genesung oder
einer besseren Lebensqualität, die innovative Medikamente im Vergleich zu
herkömmlichen Behandlungen mit sich bringen. Zweitens profitiert die
Gesellschaft von solchen Innovationen: Verkürzte und verbesserte Heilungsprozesse
reduzieren die Behandlungs- sowie Pflegekosten und die Patientinnen und
Patienten können rascher an den Arbeitsplatz zurückkehren. Anstatt dauerhaft
auf Betreuung angewiesen und im Alltag stark eingeschränkt zu sein, können
viele Patientinnen und Patienten wieder von voller Lebensqualität profitieren
und sich wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Die Sozialwerke werden damit
entlastet. Letztlich profitiert auch die Volkswirtschaft, da neue Medikamente
Reinvestitionen in Forschung und Entwicklung ermöglichen. Das schafft
Arbeitsplätze, generiert Wertschöpfung und höhere Steuereinnahmen.
Tatsache
ist aber auch, dass ein innovatives Medikament einer betroffenen Person nur
dann etwas bringen kann, wenn sie auch Zugang dazu hat – sprich, wenn das
Medikament nicht nur geprüft und zugelassen ist, sondern über die Obligatorische
Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet wird. Wie wir im nächsten Teil der
Serie sehen werden, bestehen hier aber ernsthafte Probleme.
[1]
Quelle: Lichtenberg, Frank (2022): The association between
pharmaceutical innovation and both premature mortality and hospital utilization
in Switzerland, 1996–2019. Swiss Journal of Economics and Statistics (2022),
158:7.
Dr. René P. Buholzer
Geschäftsführer
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