21. Juli 2020
Serie Kündigungsinitiative Teil 2: Mit der Kündigungsinitiative riskiert die Schweiz, den wichtigsten Exportmarkt zu verlieren
Die EU ist mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt für Schweizer Exportwaren. Die Kündigungsinitiative und die damit verbundene Beendigung der bilateralen Verträge mit der EU gefährden den Schweizer Zugang zum EU-Binnenmarkt.
Am 27. September 2020 stimmt die Schweizer
Bevölkerung über die von der SVP lancierte Kündigungsinitiative und somit über
das Fortbestehen der bilateralen Verträge mit der EU ab. Obwohl die
Kündigungsinitiative lediglich die Beendigung der Personenfreizügigkeit
beabsichtigt, sind die bilateralen Verträge als Ganzes gefährdet. Die
Initiative verlangt die Personenfreizügigkeit auf dem Verhandlungsweg ausser
Kraft zu setzen. Sollte dies aber nicht gelingen, so soll die
Personenfreizügigkeit innert 30 Tagen gekündigt werden. Die Kündigung dieses
Abkommens, welches einer der sieben Abkommen der bilateralen Verträge I mit der
EU darstellt, zieht aufgrund der «Guillotine-Klausel» die automatische
Beendigung aller restlichen Abkommen (namentlich die Abkommen zu technischen
Handelshemmnissen (auch MRA – «Mutual Recognition Agreement» – genannt),
öffentlichem Beschaffungswesen, Landwirtschaft, Landverkehr, Luftverkehr und
Forschung) mit sich.
Eine Annahme der Kündigungsinitiative würde
somit nicht nur zur Beendigung der Personenfreizügigkeit, sondern der gesamten
bilateralen Verträge I mit der EU führen. Diese bilateralen Verträge bilden die
Voraussetzung für den Schweizer Zugang zum EU-Binnenmarkt und sind somit ein
wichtiger Faktor für die Attraktivität des Unternehmensstandorts Schweiz.
Unternehmen in der Schweiz exportieren einen Grossteil ihrer Waren und Dienstleistungen ins Ausland. So können 2018 gut 95% des Bruttoinlandproduktes der Schweiz dem Exporthandel zugeschrieben werden. Davon wurde über die Hälfte an Länder der EU exportiert. So sind auch im ersten Quartal von 2020 rund 43% der Schweizer Exportwaren an Länder der EU gegangen. Der Verlust dieses wichtigen Absatzmarktes für die Schweiz würde zu enormen wirtschaftlichen Einbussen führen. Ohne die bilateralen Verträge mit der EU würde, laut Berechnungen, das Schweizer Bruttoinlandprodukt im Jahre 2035 um 7.1% tieferliegen als mit den Verträgen.
Die Attraktivität des Unternehmensstandortes Schweiz ist auch für die Pharmaindustrie von zentraler Bedeutung. Die Pharmaindustrie ist mit einem Anteil von 38.4% der gesamten Schweizer Exporte die wichtigste Exportbranche der Schweiz. Dabei wird rund die Hälfte aller Pharmaexporte an Länder der EU geliefert. Entsprechend wichtig ist der reibungslose Zugang zum EU-Binnenmarkt für die Pharmabranche.
Die Pharmaindustrie selber ist ebenso von grosser Wichtigkeit für die Schweizer Wirtschaft. So stellt die Pharmabranche der wichtigste Wachstumsmotor der Schweizer Industrie dar und hat massgeblich zum Schweizer Wirtschaftswachstum der letzten Jahre beigetragen. Mit ihrem hohen Exportvolumen und der starken Innovationsleistung war die Pharmaindustrie zwischen 2008 – 2018 jährlich für einen Drittel des realen Bruttoinlandprodukt-Wachstums in der Schweiz verantwortlich und hat damit unter anderem der Schweiz zu ihrem wirtschaftlichen Wohlstand verholfen. Aufgrund der Pandemie durch Covid-19 verzeichneten der Aussenhandel der Schweiz im zweiten Quartal von 2020 einen weitreichenden Rückgang in ausnahmslos allen Branchen. Die Exporte von chemisch-pharmazeutischen Produkten sank mit rund -4% aber vergleichsweise wenig.
Für das Fortbestehen der Schweizer
Wirtschaft ist es von zentraler Bedeutung, die bilateralen Verträge mit der EU
aufrecht zu erhalten. Gerade in der aktuellen Krisenzeit aufgrund Covid-19 und
der unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung sind stabile Beziehungen zur EU bedeutender
denn je.