Die britische Lösung ist klar schlechter als unser status quo
Grossbritannien und die
Europäische Union haben sich auf ein Abkommen über ihre zukünftigen Beziehungen
geeinigt (EU-UK Trade and Cooperation Agreement; TCA). Oft wird dies als
mögliche Lösung auch für die Schweiz dargestellt. Entsprechend lohnt sich eine
Analyse. Das Abkommen zwischen der EU und Großbritannien ist im Prinzip ein
Freihandelsabkommen. Es konzentriert sich hauptsächlich auf die Abschaffung von
Zöllen und Quoten. Das Abkommen sieht die Schaffung von zwei getrennten Märkten
mit separaten Regelungen vor.
Die Schweiz und die EU haben
neben dem Freihandelsabkommen von 1972 im Rahmen der so genannten Bilateralen 1
fünf sektorale Abkommen abgeschlossen, damit Schweizer Unternehmen teilweise
gleichberechtigt mit ihren EU-Konkurrenten am EU-Binnenmarkt teilnehmen können.
Entsprechend umfassen diese fünf Abkommen die Angleichung von Vorschriften in
den jeweiligen Sektoren, um kostspielige nichttarifäre Handelshemmnisse zu
verhindern. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Abkommen zur gegenseitigen
Anerkennung (MRA genannt). Weil die EU und die Schweiz ihre Regulierung in den
vom Abkommen erfassten Sektoren als gleichwertig anerkennen, können beispielsweise
Schweizer Pharmafirmen ihre Produkte exportieren, indem sie einfach nur die
Schweizer technischen Normen einhalten. Das heißt, sie müssen ihre Chargen nur
in der Schweiz testen und ihre Anlagen von den Schweizer Behörden abnehmen
lassen.
Grossbritannien und die EU haben kein solches MRA: Das TCA enthält kein EU-Recht. Folglich spielt auch der EuGH bei Schiedsverfahren keine Rolle. Folglich müssen britische Pharmafirmen sowohl die britischen als auch die EU-Normen einhalten, d.h. sie müssen mit Doppelzertifizierungen ihrer Chargen und zusätzlichen EU-Inspektionen ihrer Anlagen für den Export zurechtkommen. Mit diesem neuen Arrangement verlieren jedoch die britischen Unternehmen die gleichberechtigte Teilhabe am EU-Binnenmarkt. Sie haben damit erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren EU-Konkurrenten (und übrigens auch gegenüber der Schweizer Konkurrenz). Eine Studie des Institute for International and Development Economics schätzt, dass die britische Pharmaindustrie mit einem Rückgang ihrer Gesamtexporte um 10 Prozent konfrontiert sein wird, was fast 2 Milliarden Euro pro Jahr entspricht. Es ist jedoch zu beachten, dass der wirtschaftliche Nachteil einer Nichtteilnahme am EU-Binnenmarkt im Laufe der Zeit zunehmen wird.
Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der britischen Pharmaindustrie in Zahlen
Auf die Schweiz angewendet, zeigt
sich, dass die britische Lösung sogar schlechter als unser Status Quo ist. Eine
Erosion der Bilateralen ist mit hohen Mehrkosten und einer Verschlechterung der
Standortqualität verbunden. Entsprechend muss der Bundesrat die offenen Fragen
beim Rahmenabkommen mit der Europäischen Union rasch klären. Nur so können
die bilateralen Verträge fit für die Zukunft gemacht und der
Wirtschaftsstandort Schweiz gestärkt werden.
Tabelle
zum Vergleich
Die folgende Tabelle fasst die Unterschiede zwischen dem EU-UK- sowie dem Schweiz-EU-Abkommen mit und ohne InstA zusammen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den für die Pharmaindustrie wichtigen Aspekten.
Was
UK Deal
Bilateraler Weg der Schweiz
EU-Mitgliedschaft
Personenfreizügigkeit
Keine Grenzkontrollen
X
√
√
Visafreies Reisen für 90 Tage
√
√
√
Möglichkeit zu arbeiten, zu studieren & zu leben
X
√
√
Kein Roaming
X
xx
√
Haustierpass
X
√
Handel mit Pharmaprodukten
Keine Zölle und Quoten
√
√
√
Keine Grenzformalitäten
o
√
√
Anerkennung von GMP (keine doppelte Zertifizierung von Chargen und keine doppelte Inspektion von Betriebsstätten)
X
√xx
√
Anerkennung von guter Laborpraxis (GLP)
X
√xx
√
Kumulierung von Ursprungregeln
o
√
√
Möglichkeit die Freihandelsabkommen der EU zu nutzen
X
X
√
Handel mit Dienstleistungen
Erbringung von Dienstleistungen bis zu 90 Tage
o (Nur bei Niederlassung)
√
√
Einfache Anerkennung der Berufsqualifikationen
X
√
√
Logistik
Gemeinsamer europäischer Luftraum
X
√
√
Kabotage für den Strassenverkehr
X
o
√
Energie
Gemeinsamer Energiemarkt
X
xx
√
Handelsplattform für Energie
o
o
√
Forschung/Bildung
Erasmus
X
√
√
NextGenerationEU, SURE
X
X
√
Horizon Europe 2021-2027
o
o /Entscheidung noch ausstehend)
√
Institutionelle Mechanismen (mit dem InstA)
EuGH Rechtssprechung
Gilt nicht für das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich (TCA)
Für die Auslegung des EU-Besitzstandes bezüglich der fünf aktuellen und allen weiteren Verträgen (vgl. Flugverkehr)
Klauseln zur Wettbewerbsgleichheit (insbesondere bei staatlichen Beihilfen)
Ja für staatliche Beihilfen, Umwelt, Klima, Sozial- und Arbeitsrechte, steuerliche Transparenz (kein Dumping)
Ja, aber beschränkt auf Sektoren mit ausdrücklichen Klauseln in den jeweiligen Vereinbarungen
Überwachung der staatlichen Beihilfen
Zweisäulensystem
Zweisäulensystem
Guillotine-Klausel
Bestimmte Abkommen sind miteinander verbunden (Fischerei mit Handel, Luftfahrt, Straßenverkehr)
Ja
Quelle: Avenirsuisse (Adaptiert von Interpharma)
X = Keine Gleichbehandlung Xx = noch keine Gleichbehandlung, aber Einigung unter einem InstA erzielbar √ = Gleichbehandlung √xx = Gleichbehandlung, aber Präferenzregelungen ohne InstA gefährdet O = partielle Gleichbehandlung
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