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18. November 2025

AMR Awareness Week 2025 Teil 1: Der stille Vormarsch der Antibiotikaresistenzen

Ziel der weltweiten «AMR Awareness Week» ist es, die Öffentlichkeit für Antibiotikaresistenzen zu sensibilisieren und Lösungsansätze voranzutreiben. Diese Blogserie gibt einen Einblick in die Rolle der Pharmaindustrie im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.

Antibiotikaresistenz bezeichnet die Fähigkeit von Bakterien, sich anzupassen und der Wirkung von Antibiotika zu widerstehen. Resistente Bakterien können die Behandlung einer Infektion erschweren, verlängern oder im schlimmsten Fall sogar verunmöglichen. Wenn wir ein Antibiotikum nehmen, tötet es die meisten Bakterien ab, die eine Infektion verursachen. Manche Bakterien überleben aber, weil sie eine Mutation in ihrem Erbgut haben, die sie widerstandsfähig macht. Diese überlebenden Bakterien können sich vermehren und ihre Widerstandsfähigkeit weitergeben.

Mit der Zeit entstehen dadurch ganze Bakterienstämme, gegen die bestimmte Antibiotika nicht mehr helfen. Ausserdem können Bakterien ihre Resistenz an andere Bakterien weitergeben, auch an ganz andere Arten. So verbreitet sich das Problem schnell weiter. Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden – zum Beispiel bei Menschen, in der Tierhaltung oder in der Landwirtschaft –, desto grösser wird der Druck auf die Bakterien. Empfindliche Stämme verschwinden, resistente überleben.

Weltweit zeigen Resistenztrends eine Verminderung der Wirksamkeit von Antibiotika auf und Prognosen deuten darauf hin, dass diese Resistenzen bis 2050 weltweit zu jährlich zehn Millionen Todesfällen führen könnten [1].

Ein wichtiger Faktor, der zur Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beiträgt, ist der zu häufige und unsachgemässe Einsatz von Antibiotika beim Menschen und auch in der Tiermedizinmedizin und Tierhaltung.

Weitere Faktoren sind:

  • Falsche Anwendung – zum Beispiel zu kurze Einnahme oder Abbruch der Behandlung.
  • Fehlerhafte Dosierung – entweder zu wenig oder unnötig starke Antibiotika.

Dadurch wird die Bildung von Resistenzen begünstigt und bereits resistente Bakterien überleben, vermehren sich und breiten sich aus. Deshalb ist es wichtig, Antibiotika verantwortungsvoll und genau wie von der Ärztin/vom Arzt verschrieben einzusetzen. Wenn man einen Blick auf den Einsatz von Antibiotika in der Schweiz wirft, erkennt man, dass 87 Prozent der Antibiotika in Praxen eingesetzt werden und 13 Prozent in den Spitälern. Nicht nur zwischen den Spitälern und Praxen gibt es Unterschiede, sondern auch bei den Sprachregionen. Die französische Schweiz liegt auf Platz 1 nach Antibiotikaverbrauch pro Kopf, während die Deutschschweiz auf Platz 3 liegt [2].

Ausmass der Problematik

Die Folgen der Resistenzbildung sind weitreichend. Laut der WHO nahmen die Antibiotikaresistenzen bei den untersuchten Erreger-Antibiotika-Kombinationen zwischen 2018-2023 um 40 Prozent zu. Auch zwischen den Weltregionen sind die Unterscheide gross – am stärksten betroffen ist Südostasien.

Quelle: xiv | Median AMR in 93 infection type–bacterial pathogen–antibiotic combinations, by WHO region, 2023, Global antibiotic resistance surveillance report 2025

Die Probleme mit Antibiotikaresistenzen sind besonders in Ländern verbreitet, die ein eher schwaches Gesundheitssystem haben. Die Ursachen liegen etwa bei zu wenig Diagnostik oder mangelnder Finanzierung des Gesundheitssystems, welche zu falscher Anwendung oder zu kurzen Therapien führt. Dabei spielt auch die Hygiene in den Gesundheitseinrichtungen eine Rolle sowie der Mangel an Impfungen [3].

Blickt man auf die Todesfälle im Jahr 2021, sind 7.7 Millionen Menschen weltweit an einer bakteriellen Infektion gestorben. Dabei sind 1.1 Millionen Todesfälle direkt auf Antibiotikaresistenzen zurückzuführen [3].  

Ein globales Phänomen

Resistenzen entstehen nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch im Alltag, in der Tiermedizin und in der Landwirtschaft. Resistente Erreger kennen keine Grenzen: Sie verbreiten sich über Menschen, Tiere, Lebensmittel und das Wasser weltweit. Der enge Zusammenhang zwischen menschlicher, tierischer und ökologischer Gesundheit wird im sogenannten One Health-Ansatz beschrieben – einem Konzept, das Antibiotikaresistenz als ein vernetztes, globales Problem begreift [4]. Dieses Umdenken ist wichtig.

Ein Umdenken findet statt

Die Dringlichkeit dieser globalen Problematik wird vom öffentlichen und privaten Sektor zunehmend erkannt. Mit Massnahmen auf verschiedenen Ebenen will beispielsweise die 2015 lancierte Strategie Antibiotikaresistenzen Schweiz (StAR) die Wirksamkeit der Antibiotika für die Behandlung von Mensch und Tier nachhaltig sichern. Zu den Massnahmen gehören die Förderung des sachgemässen Umgangs mit Antibiotika, die Infektionsprävention in Spitälern, die Überwachung von Resistenzen und Antibiotikaverbrauch, die Förderung von Forschung sowie die Wissensvermittlung und die Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit. Ein Umdenken findet also statt, doch Handlungsbedarf bleibt, bei der Anreizsetzung für Forschung.

Schweizer Patientinnen und Patienten warten lange auf neue Antibiotika

In der Schweiz warten Patientinnen und Patienten deutlich länger auf die Verfügbarkeit von neuen Antibiotika als in anderen Ländern. Von 18 antibakteriellen Substanzen wurden bis Ende 2019 in der Schweiz lediglich sechs zugelassen. Aufgrund der langen Wartezeit bis zur Zulassung schafften es diese sechs Substanzen im Schnitt erst 2.5 Jahre nach der Zulassung auf den Schweizer Markt. Die Schweiz belegt von den 15 aufgeführten Nationen den elften Platz, was die Anzahl eingeführter Antibiotika betrifft. Mit 967 Tagen, bis ein Antibiotikum auf dem Markt ist, landet die Schweiz bei der «Wartezeit» ebenfalls auf dem elften Platz. Hier gibt es also noch viel Handlungsbedarf:

Um diesen «Brain-Drain», also den Rückzug oder das Verschwinden innovativer forschender Unternehmen aus dem Bereich zu vermeiden und die Entwicklung neuer Antibiotika zu stärken, haben diverse Länder wie die USA, das Vereinigte Königreich oder Schweden Anreizsysteme für Antibiotika getestet, respektive eingeführt. Solche Anreize können Markteintrittsprämien oder jährlich garantierte und von den Verkäufen unabhängige Vergütungen sein.

Es sind spezifische Anreize erforderlich:

  • Neue Antibiotika sollten als Versicherung gegen künftige Gesundheitskrisen betrachtet werden. Bei der Preisgestaltung sollte daher neben dem Wert für die Patienten auch der gesellschaftliche Wert berücksichtigt werden, d. h. die Sicherstellung der Verfügbarkeit neuer Antibiotika als Reserve-Medikamente für die Behandlung multiresistenter Bakterien.
  • Neue Antibiotika werden aus medizinischen Gründen in Reserve gehalten und nur dann eingesetzt, wenn ältere Antibiotika versagen. Dies bedeutet jedoch, dass den Herstellern ein Markt fehlt und sie keine Möglichkeit haben, die Entwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebskosten zu decken. Um die langfristige Verfügbarkeit von Antibiotika sicherzustellen, sind Forschungs- und Marktanreize erforderlich. Marktanreize entkoppeln das Verschreibungsvolumen vom Umsatz, wodurch Unternehmen Reserveantibiotika zur Verfügung stellen können.

Hier mehr lesen zu Antibiotikaresistenzen und der Pharmaindustrie.

[1] 160525_Final paper_with cover.pdf

[2] Faktenblatt Swiss Antibiotic Resistance Report 2024

[3] WHO: Antibiotikaresistenz steigt weltweit deutlich an

[4] One Health

Georg Därendinger

Georg Därendinger

Leiter Kommunikation

+41 79 590 98 77

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Interpharma ist der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz und wurde 1933 als Verein mit Sitz in Basel gegründet.

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