22. November 2024
10 Jahre Humanforschungsgesetz: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft
Vor zehn Jahren trat das Bundesgesetz über die Forschung am Menschen (Humanforschungsgesetz, HFG) zusammen mit seinen vier Verordnungen in Kraft – ein bedeutender Meilenstein für die Schweiz. Die Forschung am Menschen ist von herausragender Bedeutung: Sie ist einerseits besonders sensibel, andererseits unerlässlich, um Krankheiten besser zu verstehen und wirksamere Therapien zu entwickeln. In einer dreiteiligen Blogserie beleuchtet Interpharma die bisherigen Errungenschaften des HFG und zeigt auf, wo Modernisierungen nötig sind, um langfristig Spitzenforschung in der Schweiz durchführen zu können.
Teil 1: Das Humanforschungsgesetz (HFG): Was wird darin geregelt?
In der Schweiz regelt das Humanforschungsgesetz (HFG) die Forschung am Menschen. Dieses Gesetz trat 2014 in Kraft und hat das Ziel, die Würde, die Persönlichkeit und die Gesundheit der betroffenen Personen zu schützen. Es gibt den Rahmen für die Interaktion zwischen den Forschungsteilnehmenden und den Forschenden vor. Gleichzeitig soll es günstige Rahmenbedingungen für die Forschung schaffen sowie deren Qualität und Transparenz gewährleisten.
Es unterscheidet klar zwischen der Forschung an Personen und an biologischem Material oder Daten und legt strikte Voraussetzungen für alle Forschungsvorhaben fest.
Die Forschung am Menschen wird in der Schweiz in zwei Hauptkategorien unterteilt:
- Klinische Forschung: Diese beinhaltet Studien, die direkt an Menschen durchgeführt werden, zum Beispiel zur Untersuchung neuer Medikamente, Behandlungsmethoden oder diagnostischer Verfahren.
- Nicht-klinische Forschung: Hierbei geht es um die Untersuchung von menschlichem biologischen Material (z.B. Gewebeproben) oder personenbezogenen Daten. Diese Studien werden meist retrospektiv durchgeführt und haben keinen direkten Einfluss auf die untersuchte Person.
Um sicherzustellen, dass die Forschung am Menschen ethisch und rechtlich korrekt abläuft, muss jedes Forschungsprojekt eine Bewilligung einer Ethikkommission einholen. Darüber hinaus prüft Swissmedic alle klinischen Studien. Swissmedic kontrolliert dabei, ob die Qualität und Sicherheit der Prüfmedikation gewährleistet ist. Klinische Versuche dürfen in der Schweiz nur durchgeführt werden, wenn sie von einer Ethikkommission und von Swissmedic bewilligt wurden.
Die Schweiz hat dafür regionale Ethikkommissionen, die Projekte prüfen und sicherstellen, dass alle ethischen Richtlinien eingehalten werden. Sie achten insbesondere auf:
- Einwilligung der Teilnehmer: Die Teilnahme muss freiwillig und informiert sein. Die Forscher müssen die Teilnehmenden umfassend über Ziele, Risiken und mögliche Nebenwirkungen informieren.
- Risiko-Nutzen-Bewertung: Die Ethikkommission prüft, ob der Nutzen für die Gesellschaft in einem angemessenen Verhältnis zu den möglichen Risiken für die Teilnehmenden steht.
- Datenschutz: Der Schutz der persönlichen Daten der Probanden ist essenziell. Die Kommissionen stellen sicher, dass alle Daten anonymisiert oder pseudonymisiert werden, um die Privatsphäre zu schützen.
Ziel ist es Forschung mit und an Menschen zu ermöglichen und dabei die Würde des Einzelnen zu wahren. Dazu müssen die wissenschaftlichen, rechtlichen und ethischen Anforderungen an Forschungsgesuche erfüllt sein. Ethisch gerechtfertigt werden kann Forschung mit Menschen dann, wenn die wissenschaftliche Qualität und Integrität gegeben ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden und das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Forschungsgesuchs für das Individuum akzeptabel ist. Dies prüft die zuständige Ethikkommission.
Die Risiken, die potenziell mit Forschung am Menschen einhergehen, verunsichern oft die Gesellschaft, insbesondere in sensiblen Bereichen wie der Genforschung, Stammzellenforschung oder der Forschung mit Kindern und vulnerablen Gruppen. Die Ethikkommissionen sind daher gefordert, individuelle Schutzmaßnahmen zu gewährleisten, die besonders verletzliche Gruppen einschließen. Das Vertrauen in den Prüfprozess durch die Ethikkommissionen und Swissmedic muss stark sein, damit die Gesellschaft den Nutzen der Forschung am Menschen in das Zentrum stellen können. So können Patientinnen und Patienten oft sehr frühen Zugang zu neuartigen, zum Teil lebensrettenden Therapien erhalten, die sie ohne die Teilnahme an einer klinischen Studie nicht erhalten könnten.
Unter das HFG fällt nicht nur die Forschung mit Personen, sondern auch die Forschung mit biologischen Materialien menschlicher Herkunft, mit gesundheitsbezogenen Personendaten, mit verstorbenen Personen sowie mit menschlichen Embryonen und Föten.
Das Humanforschungsgesetz bildet die Grundlage für verantwortungsvolle Forschung am Menschen in der Schweiz. Es schafft einen ausgewogenen Rahmen, der den Schutz der Teilnehmenden sicherstellt und gleichzeitig wissenschaftliche Innovation ermöglicht. Durch klare ethische, rechtliche und wissenschaftliche Standards trägt es dazu bei, Vertrauen in die Forschung zu stärken – ein unverzichtbares Gut in einer Zeit, in der medizinischer Fortschritt und gesellschaftliche Sensibilität gleichermaßen gefragt sind. Damit die Schweiz weiterhin Spitzenforschung betreiben und als führender Forschungsstandort bestehen kann, ist eine stetige Weiterentwicklung des HFG notwendig, um den Herausforderungen der modernen Forschung gerecht zu werden und gleichzeitig die Würde des Einzelnen konsequent zu wahren.
Bildquelle: Bundesamt für Gesundheit, 2024