23. Oktober 2020
Parallelimporte: Wem nützen sie wirklich?
Seit Jahren sind Parallelimporte zu einer beliebten politischen Forderung geworden. Aktuell hat sich die Diskussion mit dem aktuellen Vorschlag zum Kostenpaket 1b, welcher nächste Woche zur Debatte im Nationalrat steht, wieder verschärft: Eine Mehrheit der nationalrätlichen Gesundheitskommission (SGK) verlangt eine Ausnahme von der Swissmedic-Zulassungspflicht für parallel-importierte Generika.
Auf den ersten Blick scheint die Sachlage einfach: Wenn Produkte
wie Autos oder Computerspiele im Nachbarland günstiger sind, spricht wenig
dagegen, von den tieferen Auslandpreisen durch Parallelimport zu profitieren. Dabei
geht oft vergessen, dass die Schweiz gerade bei den Markenprodukten, die häufig
in Preisvergleichen genannt werden – u.a. Waschmaschinen, Autos, Textilien –,
bereits heute Parallelimporte zulässt. Sie ist in dieser Beziehung eines der
liberalsten Länder der Welt.
Bei genauerer Betrachtung wird aber schnell klar, dass bei
Medikamenten die Situation viel komplizierter ist und mehrere Gründe gegen
Parallelimporte sprechen. Das weitaus wichtigste Argument ist die
Patientensicherheit. Für die forschende Pharmaindustrie in der Schweiz steht
der Patient im Mittelpunkt. Doch Parallelimporte bringen weder dem Patienten
etwas, noch führen sie zu Kosteneinsparungen. Denn die Preise von Arzneimitteln
werden nicht vom Markt, sondern vom Staat bestimmt. Entsprechend ist es ein
Trugschluss zu behaupten, dass Parallelimporte zu günstigeren
Medikamentenpreisen führen. Vielmehr führen sie zu einem Wettbewerb der staatlichen Regulierungssysteme.
Schlimmer noch: Liesse man Parallelimporte zu, würden zudem Medikamentenfälschungen
leichter auf den Schweizer Markt gelangen und so die Patientensicherheit
gefährden.
Schwächung der Versorgungssicherheit
Neben der ganzen Thematik um die Patientensicherheit gilt es
aber auch einen weiteren Faktor zu beachten. Parallelhändler haben keine
Verpflichtung den Standort zu versorgen, was die Versorgungssicherheit
gefährdet, sprich: Sobald sich das Geschäft nicht mehr lohnt, verschwinden
Parallelimporteure wieder. Einmal verschwundene Lieferkapazitäten bei den
Unternehmen können aber nicht kurzfristig aufgebaut werden, wodurch die
Versorgung zusammenbricht. Das Bundesamt für Gesundheit zwingt die hiesigen
Pharmafirmen, breite Gammen (d.h. verschiedenste Darreichungsformen von
Zäpfchen über Ampullen bis hin zu verschieden dosierten Tabletten) anzubieten.
Parallelimporteure konzentrieren sich auf die umsatzstarken Stock Keeping Units
(SKU) und gefährden auch auf diese Weise die Versorgungssicherheit.
Aktueller Vorschlag schwächt Swissmedic
Nebst alle dem werden Gewinne der Parallelimporten hin zu
den Händlern verlagert. Diese tragen aber nur wenig zur Wertschöpfung der
Schweiz bei. Damit
schwächen sie den Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz erheblich.
Pharmaunternehmen hingegen reinvestieren ihre Gewinne und tragen damit massgeblich
zu Arbeitsplätzen und Wohlstand der Schweiz bei.
Die Forderung der SGK-Mehrheit im aktuellen Vorschlag Kostenpaket
1b, welcher nächste Woche zur Debatte im Nationalrat steht, ist gefährlich und
würde der Patienten- und Versorgungssicherheit in unserem qualitativ
hochstehenden Gesundheitswesen schaden. Eine Umgehung von Swissmedic ist mit
Blick auf die Arzneimittelsicherheit klar abzulehnen und würde die Schweizer
Zulassungsbehörde stark schwächen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern
(inkl. Deutschland) gab es dank der Kontrolle durch Swissmedic in der Schweiz
bis anhin keine Fälschungen auf dem legalen Medikamentenmarkt. Ein starker
Pharmastandort braucht eine starke Zulassungsbehörde.