Solide Tumoren im Visier - Interpharma

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9. September 2019

Solide Tumoren im Visier

Es ist noch kein Jahr her, seit eine neuartige Therapie gegen Blutkrebs zugelassen wurde, die genetisch veränderte Immunzellen des Patienten nutzt. Experten haben nun das Potenzial der Therapie zur Behandlung weiterer Tumorarten erörtert.

Das ‹Comprehensive Cancer Center Zürich› (CCCZ) ist ein Kompetenzzentrum im Bereich der Krebsbehandlung und -forschung. Die Einrichtung wird vom Universitätspital Zürich, der Universitätsklinik Balgrist, dem Universitäts-Kinderspital Zürich und der Universität Zürich getragen. «Wir bieten unseren Patienten innovative und fachübergreifende Behandlungskonzepte nach modernsten medizinischen Standards und unter Einbezug der neuesten Forschungsergebnisse», heisst es auf der Webseite des CCCZ. Um immer auf dem neusten Stand zu sein, pflegen Onkologen einen intensiven Austausch, unter anderem an Fachtagungen. Diesem Zweck diente Ende August das 4. Zürcher Symposium für Immunonkologie. Die vom CCCZ organisierte Tagung am Universitätsspital Zürich beleuchtete die neusten Entwicklungen bei der Bekämpfung von Krebs mithilfe von Immunzellen. Die Veranstaltung wurde von mehreren Interpharma-Mitgliedsunternehmen unterstützt.

Einsatz beim Multiplen Myelom

Ein wichtiges Thema war in Zürich eine erst seit knapp einem Jahr in der Schweiz zugelassene Immuntherapie, bei der genetisch veränderte Immunzellen des Patienten (CAR-T-Zellen) zur Behandlung von bösartigen Tumoren eingesetzt werden. Bislang ist die Therapie für zwei Arten von Blutkrebs zugelassen (refraktäre, rezidivierte B-ALL und rezidiviertes, refraktäres B-Zell Non-Hodgkin-Lymphom). Doch bei Experten herrscht Zuversicht, dass CAR-T-Zellen auch gegen weitere Krebsarten helfen dürften. Für das Multiple Myelom könnte das bereits im kommenden Jahr der Fall sein: Bei dieser Erkrankung befinden sind die Tumorzellen wie bei einer Leukämie im Knochenmark, verhalten sich aber biologisch anders. «Das Multiple Myelom ist zwar ein Blutkrebs, aber die Erkrankung weist auch Ähnlichkeiten mit soliden Tumoren auf, weil die Mikroumgebung für die angreifenden Tumorzellen möglicherweise schwieriger zu überwinden ist», sagt Prof. Hermann Einsele vom Universitätsklinikum Würzburg, der in Zürich über CAR-T-Zellen referierte.

Können CAR-T-Zellen künftig nicht nur gegen Blutkrebs, sondern auch gegen solide Tumoren eingesetzt werden? Das ist vermutlich die Schlüsselfrage, die sich momentan rund um diese moderne Krebstherapie stellt. Die Chancen für eine deutliche Ausweitung des Einsatzgebietes stehen gut, wie der Würzburger Immunonkologe in Zürich deutlich machte. CAR-T-Zellen werden gegenwärtig rund um den Globus für ihren Einsatz gegen fast alle Arten von soliden Tumoren in klinischen Studien getestet. Dazu gehören weit verbreitete Krebsarten wie Prostata- und Brustkrebs, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, aber auch Hautkrebs.

Solide Tumoren knacken

Der Einsatz der Immunzellen ist bei soliden Tumoren schwieriger als bei Blutkrebs: Bei Blutkrebs können die Immunzellen nämlich meistens über ein einziges Merkmal (Antigen) auf die Krebszellen abgerichtet werden. Bei soliden Tumoren bedarf es hingegen in der Regel mehrerer Merkmale. Das macht es anspruchsvoller, die Immunzellen gentechnisch so zu verändern, dass sie Krebszellen tatsächlich vernichten. Solide Tumoren sind auch schwieriger zu bekämpfen, weil sie oft in einem kompakten Zellverband sitzen und von den CAR-T-Zellen weniger gut erreicht werden können. Ferner scheinen die Krebszellen solider Tumoren über trickreiche Mechanismen zu verfügen, um die angreifenden Immunzellen lahmzulegen.

Trotz solcher Hürden bleibt Hermann Einsele optimistsich. Er erwarte in den nächsten Monaten und Jahren spektakuläre Erfolge für weitere Krebsarten, sagt der Krebsexperte und mahnt zugleich zu Geduld. Die CAR-T-Zelen seien bereits in den 1990er Jahren entwickelt worden und hätten zunächst sehr enttäuschende Ergebnisse hervorgebracht, sagt er. Erst die zweite Generation der CAR-T-Zellen habe die sehr guten Ergebnisse, die bei Blutkrebs seit kurzem erzielt werden, möglich gemacht. «Wenn wir in die Zukunft blicken, könnten CAR-T-Zellen sogar über Krebserkrankungen hinaus Anwendung finden», sagt Einsele. «So ist es denkbar, multiresistente Erreger von Infektionen über die Neuausrichtung von Immunzellen zu bekämpfen. Autoimmunkrankheiten wie Multiple Sklerose können vielleicht einmal behandelt werden, indem man fehlgesteuerte Immunzellen genetisch ausschaltet», sagt Hermann Einsele. Er betont, dass hierfür noch viel Forschung nötig sei. Für solche Anwendungen laufen zur Zeit noch keine klinischen Studien.

Fernsteuerung für CAR-T-Zellen

Der medizinische Einsatz von modifizierten Imunzellen hat ein grosses Potenzial. Allerdings ist das Behandlungskonzept noch jung, Verbesserungen und Weiterentwicklungen sind noch immer im Gang. Ein Feld für Optimierungen bietet sich bei den Nebenwirkungen. Patienten, die mit CAR-T-Zellen behandelt werden, sind in den ersten Tagen der Behandlung oft mit erheblichen Kreislaufproblemen, aber auch mit neurologischen Einschränkungen konfrontiert.

Die medizinische Forschung möchte dies ändern. Ansätze sind bereits greifbar. Hermann Einsele verweist auf eine wissenschaftliche Publikation, die sein Forscherteam vor kurzem in der Fachzeitschrift «Science Translation Medicine» veröffentlicht hat. Dort legten die Wissenschaftler dar, wie man in den Signalweg (zellinterne Informationsübertragung) der CAR-T-Zellen eingreifen und Nebenwirkungen so mit einer von aussen zugegebenen Substanz quasi abschalten kann. Präklinische Untersuchungen an Mäusen haben die Funktionstüchtigkeit der Methode grundsätzlich bestätigt. «Gelingt dies auch bei der klinischen Anwendung beim Menschen, dann würden wir über eine Fernsteuerung verfügen, mit der wir die Wirkung von CAR-T-Zellen nach Bedarf an- und ausknipsen und so die Zelltherapie fein steuern könnten», sagt Einsele.

Michèle Sierro

Responsable communication Suisse romande

+41 79 305 84 30

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