Die Hochpreisinsel Schweiz: Der Ruf, überteuert zu sein, eilt uns voraus. Medikamente bilden dabei keine Ausnahme – oder doch? Hier lohnt sich ein genauerer Blick: Die grossen Preisunterschiede liegen nämlich ausschliesslich bei den Generika. Bei patentabgelaufenen Originalpräparaten und hochinnovativen patentgeschützten Medikamenten gibt es kaum einen Preisunterschied. Preissenkende Massnahmen sind trotzdem sinnvoll – solang sie den richtigen Fokus setzen und die Versorgungssicherheit nicht gefährden.
Der Einkaufstourismus ist in aller Munde – und für viele die Antwort auf hohe Preise in der Schweiz. In der Tat kann sich ein Blick über die Grenze lohnen, wenn man neue Anschaffungen plant. Es ist daher verständlich, dass auch bei Medikamenten die verschiedenen Preise verglichen werden. Beim genaueren Hinsehen fällt dabei auf, dass das Vorurteil der Hochpreisinsel Schweiz nur für wenige Medikamente zutrifft. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat diesbezüglich mit den jährlichen Preissenkungsrunden bereits ein wirksames Mittel entwickelt.
Im Rahmen der Arzneimittelüberprüfung vergleicht auch das BAG ausländische mit hiesigen Medikamentenpreisen. Dieser Vergleich dient dem Bundesamt unter anderem dazu, den Preis eines neuen Medikamentes festzulegen. Nach der Einführung wird jedes Medikament alle drei Jahre einer erneuten Preisüberprüfung unterzogen. Zusätzlich zum Auslandpreisvergleich wird ein sogenannter therapeutische Quervergleich, das heisst ein Vergleich mit den Preisen ähnlicher Präparate in der Schweiz, zur Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt.
Durch die regelmässigen Preisüberprüfungen und die entsprechende Preissenkung konnte das Schweizer Gesundheitssystem in den letzten Jahren über eine Milliarde Franken einsparen Die Preisüberprüfung leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Dämpfung der Gesundheitskosten.
Die regelmässigen Preisüberprüfungen führen dazu, dass die Preise für Originalpräparate in etwa dem Niveau im europäischen Ausland entsprechen. Im Schnitt sind sie gerade einmal 4.5 Prozent teurer als im vergleichbaren Ausland: Nur drei Prozent teurer als in Deutschland, knapp günstiger als in Österreich und gar acht Prozent günstiger als in Dänemark. Vergleicht man den Unterscheid zusätzlich mit den Lebenshaltungskosten in diesen Ländern, so lässt sich festhalten, dass innovative Arzneimittel in der Schweiz vergleichsweise günstig zu erwerben sind.
Top-250-Originalpräparate, 9-Länder-Korb (Wechselkurs CHF/EUR: 1.15); Preise vom April 2020
Quelle: santesuissé und Interpharma (August 2020), Gemeinsamer Auslandpreisvergleich.
Anders ist das Bild bei
patentabgelaufenen Medikamenten und Generika: Diese kosten im Ausland oft
deutlich weniger. Gemäss einem Vergleich der 250 umsatzstärksten Wirkstoffen
sind patentabgelaufene Originalpräparate in umliegenden Ländern
durchschnittlich 10 Prozent, Generika 42 Prozent günstiger als in der Schweiz. Auch
wenn die Differenz im Vergleich zum Vorjahr abnahm, sind Nachahmerpräparate hierzulande
noch immer deutlich teurer als im Ausland.
Manchen gesundheitspolitischen Akteuren gehen die Preissenkungsrunden nicht weit genug und sie fordern daher ein Referenzpreissystem. Das sieht vor, dass für patentabgelaufene Wirkstoffe eine Preisobergrenze festgelegt wird, sodass nur noch ein einheitlicher Preis von der Krankenversicherung übernommen werden kann. Unterschiedliche Präparate werden dabei nicht weiter berücksichtigt. Die vorgelegten Umsetzungsformen eines solchen Systems sind jedoch nicht ausgegoren: Das «Billigstprinzip» ignoriert zum Beispiel die Bedeutung der Darreichungsform für Patienten. Unterschiedliche Hilfsstoffe oder Darreichung können für Patienten jedoch einen grossen Unterschied machen, sodass Ärzte weiterhin in der Lage sein müssen, aus medizinischen Gründen ein bestimmtes Präparat zu verschreiben. Aus Überlegungen der Patientensicht dürfen desweitern Biosimilars nicht im Referenzpreissystem eingeschlossen werden. Der generierte Mehrwert rechtfertigt eine massvolle Preisdifferenz.
Zuletzt hat das Parlament eine Debatte zum Referenzpreissystem verschoben – denn die Covid-19 Pandemie hat der Versorgungssicherheit in der Debatte um Arzneimittelpreise eine neue Relevanz gegeben. Schon jetzt sind einige patentabgelaufene Präparate in der Schweiz aufgrund von Lieferengpässen nicht mehr erhältlich. Durch weiteres Drücken der Preise in der Schweiz, wird die Rentabilität des Medikaments zunehmend unwahrscheinlicher, sodass sich mehr Unternehmen aus dem Markt zurückziehen könnten. Ein Referenzpreissystem kann also im Extremfall dazu führen, dass es zu mehr Lieferengpässen kommt und die Versorgungssicherheit von patentabgelaufenen Wirkstoffen nicht mehr garantiert werden kann.
Die Schweiz ist ohne Frage eine Hochpreisinsel – für Arzneimittel ist diese Aussage jedoch zu pauschal. Gerade bei innovativen, patentgeschützten Arzneimitteln bewegen sich die Preise im Rahmen jener der europäischen Vergleichsländer und sind verglichen mit dem Lohnniveau hierzulande gar günstiger. Bei patentabgelaufenen Originalpräparaten verringern sich die Preisunterschiede dank der jährlichen Preisüberprüfungen jedes Jahr weiter. Lediglich Generika sind in der Schweiz noch immer deutlich teurer als im Ausland.
Dieser offensichtliche Missstand darf jedoch nicht dazu führen, dass zu einem gefährlichen Rundumschlag ausgeholt wird. Statt allgemeingültiger Massnahmen, die die Versorgungssicherheit der Schweiz gefährden, sind gezielte Preissenkungsmassnahmen gefordert, die für Patienten relevante Eigenschaften, wie die Darreichungsform, im Auge behalten.
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