Eine Therapie ist nicht bei allen Patienten mit der gleichen Erkrankung gleich wirksam und kann bei einigen sogar zu starken Nebenwirkungen führen. Die personalisierte Medizin ist ein Überbegriff für die Strategie, Medikamente zu entwickeln, die besser auf den einzelnen Patienten zugeschnitten sind. Daneben ermöglicht sie auch präzisere Diagnosen.
Biomarker als Ausgangspunkt
Bei der personalisierten Medizin geht es darum, zusätzlich zum Krankheitsbild weitere Wissen über das individuelle biologische bzw. genetische Profil von Patienten zu nutzen, um künftig bereits vor dem Beginn einer Behandlung abschätzen zu können, ob der Patient auf eine bestimmte Therapie ansprechen wird. Spezielle Konstellationen, bei denen z.B. das genetische Profil des Patienten eine Rolle spielt, können mit modernen Biomarkern ermittelt werden, also mit messbaren Parametern biologischer Prozesse, die prognostische oder diagnostische Aussagekraft haben.
Die personalisierte Medizin zielt darauf, in dieser Weise unterschiedliche Krankheitsursachen und -verläufe zu identifizieren und entsprechende Behandlungen zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist Brustkrebs. Brustkrebszellen sind entartete Körperzellen, deren Wachstum durch bestimmte Genveränderungen mutiert, d.h. außer Kontrolle geraten ist. Sie unterscheiden sich genetisch, was auch den Therapieerfolg beeinflusst. Rund ein Viertel aller Brustkrebspatientinnen produziert in Krebszellen das Protein HER2 im Übermass. Ein HER2-positiver Tumor führt im Gegensatz zu einem HER2-negativen Tumor zu einem aggressiveren Krankheitsverlauf, und der Tumor tritt schneller wieder auf, weswegen für HER2-positive Patientinnen eine personalisierter Therapieansatz so wichtig ist.
Gegen HER2 konnte mit diesem Ansatz ein spezifischer Antikörper entwickelt werden, der das weitere Tumorwachstum stoppt und die Immunabwehr aktiviert. Diese Therapie ist ausschließlich für Patientinnen mit einem Übermaß an HER2-Rezeptoren sinnvoll, weshalb bei Brustkrebspatientinnen so früh wie möglich der HER2-Status bestimmt werden sollte.
Höherer Behandlungserfolg, bessere Verträglichkeit
Das Beispiel zeigt, dass sich mit personalisierter Medizin einerseits der Behandlungserfolg erhöhen lässt und auf der anderen Seite auch Kosten im Gesundheitswesen gespart sowie Patienten überflüssige Behandlungen erspart werden können.
Bei der personalisierten Medizin geht es aber nicht nur um die Wirksamkeit, sondern auch um eine bessere Verträglichkeit. Ob ein Patient einen Wirkstoff verträgt oder ob verstärkt unerwünschte Wirkungen auftreten, kann ebenfalls mit seiner DNA in Zusammenhang stehen. So steht z.B. bei AIDS eine bestimmte Veränderung am Gen HLA-B5701 mit einer Überempfindlichkeit gegen ein bestimmtes Medikament in Zusammenhang, so dass heute mittels eines Tests zuerst abgeklärt wird, ob der Patient das veränderte Gen trägt oder nicht. Weniger unerwünschte Nebenwirkungen bei der Behandlung bedeutet eine höhere Lebensqualität für die Patienten, die dadurch zusammen mit ihrem Arzt auch ein höheres Vertrauen in die Behandlung entwickeln.
Wohin entwickelt sich die personalisierte Medizin?
Die personalisierte Medizin ist keine Zukunftsvision mehr, sondern im Gesundheitswesen der Schweiz angekommen, mit etlichen zugelassenen Wirkstoffen. die auf eine bestimmte Patientengruppe zugeschnitten sind. Für die Mehrheit dieser Wirkstoffe ist ein begleitender diagnostischer Test vorgeschrieben oder wird empfohlen. Auch die Entwicklung neuer Gen- und Zelltherapien hat speziell durch die Entdeckung des CRISPR/Cas-Verfahrens zusätzliche Impulse erhalten.
Trotz der Fortschritte ist es unverändert eine immense Herausforderung, die personalisierte Medizin in Arztpraxen und Spitälern in die Realität umzusetzen. Dabei kommt auch einer verbesserten Weiterbildung eine hohe Bedeutung zu, wie die Resultate einer Umfrage der Schweizer Aerztezeitung belegen: Dabei gaben 35% der befragten an, sich (überhaupt) nicht zum Thema personalisierte Medizin informiert zu fühlen, während 48% sich mittelmässig und 17% sich (sehr) gut informiert fühlen.