Preismodelle bei Medikamenten - darum geht es - Interpharma

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27. September 2023

Preismodelle bei Medikamenten – darum geht es

Mit dem Kostendämpfungspaket 2 (KP2) möchte der Bundesrat die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen dämpfen. Eines von mehreren Elementen sind Preismodelle bei Medikamenten. Wir erklären, worum es geht.

Unbestritten ist: Nur ein nachhaltig finanziertes Gesundheitswesen ist ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen. Alle Akteure müssen ihren Beitrag dazu leisten, und die forschenden Pharmaunternehmen stehen zu dieser Verantwortung: Die Pharmaindustrie ist weiterhin bereit, konstruktive und zielführende Massnahmen zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen mitzutragen. Diese Massnahmen müssen austariert sein und dürfen bei einer Senkung der Gesundheitskosten nicht gleichzeitig den Zugang der Patientinnen und Patienten zu einer qualitativ hochstehenden Versorgung beeinträchtigen. Alle Patientinnen und Patienten, die dringend auf ein Medikament angewiesen sind, sollten auch raschen Zugang dazu erhalten.

Das Problem: Bei neuen, hochinnovativen Therapien, die in ihrer Form und Komplexität mit den «klassischen Pillen» nicht mehr vergleichbar sind, stösst das heutige System der Nutzenbewertung zunehmend an Grenzen. Weil dieser Prozess veraltet ist, braucht es neue Wege. Und Preismodelle, welche der Bundesrat als Teil des KP2 vorschlägt, sind ein solcher Weg, um den Patientenzugang in Ausnahmefällen sicherzustellen, wo herkömmliche Preisfestsetzungsmechanismen versagen.

Preismodelle sichern schnellen, gleichberechtigten Patientenzugang

Denn bei der Vergütung hochinnovativer Medikamente der neusten Generation stellen sich komplexe Fragen: Wie soll zum Beispiel eine hochkomplexe und aufwändig entwickelte Therapie vergütet werden, die zur zielgerichteten Behandlung einer Krankheit nur einmal angewendet werden muss und somit Pflegeleistungen und eine chronische, lebenslange Medikamenteneinnahme ersetzt? Gerade bei seltenen Krankheiten ist zudem die Evidenzlage herausfordernd. So gibt es beispielsweise nur wenige Personen, die von einer seltenen Krankheit betroffen sind, aber sehr individuelle Krankheitsbilder. Wie wird ein innovatives, sehr forschungsintensives Medikament bei Patientin X anschlagen, wie bei Patient Y? Was ist zu tun, wenn die gewünschte Wirkung ausbleibt? Wie teilen sich die beteiligten Akteure (z.B. Herstellerfirma, Versicherungen) das Risiko? Das sind einige der schwierigen Fragen, die jeweils gelöst werden müssen. Hier können sogenannte Preismodelle den Gestaltungsspielraum bei der Vergütung und die Risiken für alle Beteiligten reduzieren und gleichzeitig dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten raschen Zugang zu dringend benötigten Arzneimitteln und Therapien erhalten.

Preismodelle können etwa aus einem Mengenrabatt bestehen. Wenn also ein gewisses Volumen erreicht ist, gibt es eine Rückzahlung – ein Konzept, das in der Wirtschaft gang und gäbe ist. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Krankenversicherung eine Behandlung nur bezahlt, wenn sie beim Patienten auch anschlägt – ein sogenanntes «pay-for-performance»-Modell. Kurz gesagt: «Zufriedenheit oder Geld zurück». Ein Preismodell kann zwischen den beteiligten Akteuren die entsprechenden Rückzahlungsbedingungen und anderen Modalitäten vorausschauend regeln. Entscheidend ist, dass beide Seiten (die Firmen, aber vor allem das BAG) so mehr Flexibilität erhalten für eine schnelle Einigung. Denn viele Patientinnen und Patienten können nicht jahrelang warten, bis bürokratische Details geklärt sind.

Preismodelle reduzieren die Komplexität und ermöglichen so schnelleren Patientenzugang.

Preismodelle bedeuten Umsatzeinbussen

Preismodelle stellen sicher, dass die Vergütung den hohen Nutzen neuartiger und innovativer Therapien widerspiegelt und deren Finanzierbarkeit gewährleistet ist. Zudem erlauben sie eine flexible, an die konkrete Situation und an ein jeweiliges Land bzw. dessen Gesundheitssystem angepasste Preisgestaltung, also auch länderspezifische Preisanpassungen nach unten.

Preismodelle und die entsprechenden Rückerstattungen sind heute internationale Praxis. Gleichzeitig sind sie innerhalb des Medikamentenmarkts klar die Ausnahme: In der Schweiz werden heute rund 3’400 Medikamente durch die Krankenkassen vergütet; 96% davon haben kein Preismodell. Nur 77 dieser rund 3’400 Medikamente auf der Spezialitätenliste – also nur 2% – sind nicht komplett transparent. Es handelt sich hierbei um hochkomplexe Therapien. Damit die Patienten trotz komplexer Prozesse und Fragen schnellen Zugang zu neuen Medikamenten erhalten und die Kosten für das Gesundheitswesen nicht unnötig steigen, wird in diesen wenigen Fällen zwischen Staat und Pharmaunternehmen eine teilweise Vertraulichkeit über den Preis vereinbart und ein Teil des Preises durch die Pharmafirma rückerstattet. Das BAG, die Krankenkassen und die Firmen kennen den Preis und die vereinbarten Konditionen aber auch in diesen Fällen. Zudem unterstützen wir die Idee der SGK-N, dass eine unabhängige Stelle die Umsetzung von Preismodellen untersucht und die daraus resultierenden Gesamtersparnisse für das Gesundheitswesen aggregiert veröffentlicht werden.

Bei Preismodellen ist der tatsächliche Preis immer tiefer als der Listenpreis.[1]  Das zeigt die kostendämpfende Wirkung für das Gesundheitssystem. Tatsache ist also, dass solche Preismodelle für die Industrie primär Umsatzeinbussen bedeuten. Die forschenden Pharmafirmen sind aber bereit, die rechtliche Verankerung solcher Preismodelle im Rahmen des KP2 hinzunehmen – wenn damit den Patientinnen und Patienten in der Schweiz der schnelle Zugang zu teils lebensrettenden, bahnbrechenden Innovationen ermöglicht wird.

Preismodelle alleine reichen nicht

Ohne Preismodelle wäre es für viele Patienten gar nicht möglich, Zugang zu neuen, hochinnovativen Medikamenten und Therapien zu bekommen. Preismodelle sind aber kein Allerheilmittel, weil sie die strukturellen Probleme bei der Vergütung innovativer Therapien nicht lösen. Vor allem muss der heutige Prozess der Vergütung umfassend modernisiert werden, damit PatientInnen schnell und gleichberechtigt Zugang zu benötigten Medikamenten haben. Denn Preismodelle sind für Ausnahmefälle gedacht und sollen Ausnahmen bleiben. Preismodelle können daher nur eine von mehreren Säulen sein, um den Patientenzugang in der Schweiz zu verbessern – vor allem braucht es grundlegende Reformen am ordentlichen Prozess über die Spezialitätenliste:

Denn seit 2016 gibt es eine immer grössere zeitliche Verzögerung zwischen der Marktzulassung von Medikamenten und ihrer tatsächlichen Verfügbarkeit über die Krankenversicherung. Aufgrund dieser zunehmenden Dauer und des wachsenden Staus müssen Patientinnen und Patienten zu lange auf den Zugang zu hochinnovativen Medikamenten warten. Diese Entwicklung ist gerade aus Sicht der Patientinnen und Patienten höchst besorgniserregend. Es ist daher unabdingbar, dass im Zuge von KP2 die Chance ergriffen wird, den Zugang zu Arzneimitteln in der Schweiz endlich grundlegend zu verbessern. Interpharma hat mit dem Rückvergüteten Innovationszugang bereits vor über einem Jahr in umsetzbares Konzept vorgelegt, welches jenem der SGK-N ähnelt und Patientinnen und Patienten den Zugang zu Therapien ab dem Tag der Zulassung durch Swissmedic ermöglicht.


[1] Gemäss Aussagen des BAG werden Preismodelle nur eingesetzt, wenn sie Preisabschläge von mindestens 25% bringen. Quelle: Faktenblatt des BAG zu Preismodellen für Medikamente

Michael Schoy

Communication Manager

+41 79 799 29 08

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