Wie kann die Schweiz Gesundheitsdaten künftig besser nutzen? Diese Frage hat Nationalrätin Ruth Humbel dem Bundesrat gestellt (Postulat 15.4225). Erstmals greift dieser in seiner Antwort für ein Gesundheitsdatenökosystem wichtige Aspekte auf. Nun müssen diese aber vertieft werden.
Gut Ding will Weile haben lässt sich nicht nur auf edle Weine übertragen, sondern auch auf sehnlichst erwartete Antworten des Bundesrats. 2015 hat Nationalrätin Ruth Humbel mit einem wichtigen Postulat gefragt, wie Gesundheitsdaten künftig besser für eine qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung genutzt werden können. Sieben Jahre später liegt nun die Antwort vor. Diese geht in die richtige Richtung.
Der Bundesrat anerkennt darin, dass eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten essenziell für die Forschung und den medizinischen Fortschritt ist. Die Schweiz soll dies künftig mit einem funktionierenden, digitalen Gesundheitsdatenökosystem sicherstellen. Dabei heben die Autoren des Berichts wichtige Aspekte hervor, die angegangen werden müssen.
Damit Gesundheitsdaten überhaupt weiterverwertet werden können, müssen gemeinsame Standards verbreitet sein, nach denen diese Daten erhoben und strukturiert werden. Das FAIR-Prinzip spielt dabei eine wichtige Rolle: Diese besagt, dass Daten auffindbar sein müssen (findable) – das bedingt einen entsprechenden Metadaten-Katalog. Es muss auf sie zugegriffen werden können (accessible), sie müssen interoperable sein, also miteinander verknüpft werden können und wiederverwendbar sein (reusable). Das heisst, dass sie so beschrieben sind, das klar ist, woher sie stammen und beispielsweise wer sie weiterverwerten darf.
Personenbezogene Gesundheitsdaten sind besonders schützenswert. Dieser Schutz wird in der Schweiz über das Datenschutzgesetz geregelt. Es ist völlig klar, dass für die Weiterverwertung von personalisierten Gesundheitsdaten die Bürgerinnen und Bürger ihre Einwilligung geben können müssen (consent) – und das, wie auch der Bericht festhält, möglichst einfach (eConsent). Gesundheitsdaten sind für die Gesellschaft aber auch enorm bedeutend, das hat Interpharma in ihrer Publikation “Digitales Gesundheitsdatenökosystem” dargelegt. Allerdings besteht, wie der Bericht des Bundesrats ebenfalls festhält, keine abschliessende rechtliche Sicherheit in der Schweiz, wie Gesundheitsdaten genutzt werden können. Das muss sich aber für ein funktionierendes Gesundheitsdatenökosystem ändern. Andere Länder wie Finnland haben dies mit einem Gesundheitsdatennutzungsgesetz gelöst, die EU hat kürzlich ihre Vorstellung darüber veröffentlicht. Ein solches Regelwerk wäre auch für die Schweiz wichtig.
Wichtig in einem Gesundheitsdatenökosystem ist weiter eine angemessene Governance. Es braucht jemanden, der das System orchestriert, damit Datensätze verknüpft werden können. Diese Rolle könnte künftig die im Bericht erwähnte zentrale Koordinationsstelle übernehmen. Dafür braucht es eine rechtliche Grundlage, was mit einem Gesundheitsdatengesetz ebenfalls angegangen werden sollte. In Finnland beispielsweise gibt es die staatliche und unabhängige Instanz Findata, bei der die Akteure des Gesundheitsdatenökosystems, seien es Universitäten, forschende Unternehmen oder andere staatlichen Stellen, einen Antrag auf Datensätze stellen können. Die Behörde prüft die Anfragen und liefert dann den Antragstellern die Gesundheitsdaten anonymisiert und verknüpft. Wie genau eine solche Institution in der Schweiz aussehen soll, muss vertieft diskutiert werden. Das Ziel sollte sein, dass diese Institution möglichst schlank und im öffentlichen Interesse vorgeht – Finnland zeigt vor, wie das gehen könnte. Es gibt in der Schweiz bereits Initiativen, die zu einer solchen Stelle weiterentwickelt werden könnten, wie beispielsweise im Rahmen des Swiss Personalised Health Networks (SPHN). Der grosse Vorteil einer solchen Stelle ist, dass sie – vorausgesetzt, sie wird schlank und effizient ausgestaltet – eine enorm innovationsfördernde Wirkung erzielen kann. Einerseits in der Wirtschaft und Akademie, aber auch im Politbereich. Genau so wichtig ist aber ein anderer Aspekt: Eine so in einem Gesetz klar geregelte Governance fördert das Vertrauen aller in das System, weil klar ist, wie Daten genutzt werden dürfen und wozu.
Der Bericht des Bundesrats geht klar in die richtige Richtung. Er ersetzt aber noch keine Strategie. Es fehlen verbindliche Fristen, konkrete Massnahmen und es wird nicht auf die Finanzierung eingegangen. Ausserdem ignoriert der Bericht einen Teil der Frage des Postulats. Während darin nach einer besseren Nutzung für eine qualitativ hochstehende und effiziente Gesundheitsversorgung gefragt wird, beschränkt sich der Bericht im Grunde genommen auf die Forschung. Damit blendet er aber einen grossen Teil des Nutzenversprechens von Gesundheitsdatenökosystemen aus – nämlich dass darin auch das ganze Gesundheitssystem effizienter und effektiver gestaltet werden kann. Politische Massnahmen wie in der Pandemie müssen nicht im Blindflug ergriffen werden. Und mit Transparenz über Kosten und Nutzen lässt sich weg von der heutigen Abrechungs- hin zu einer Ergebnisorientierung kommen.
Diese ganzheitliche Strategie, die konkreten Massnahmen und eine verbindliche Roadmap sind dringend gefordert. Dass der Bundesrat mit Fachgruppen aus externen Experten diese erarbeiten möchte, ist deshalb besonders wichtig.
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