Ein starker Pharmastandort ist die beste Krisenvorsorge - Interpharma

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16. Februar 2021

Ein starker Pharmastandort ist die beste Krisenvorsorge

Seit Monaten arbeiten die Forschungsabteilungen der verschiedenen Unternehmen daran, so rasch wie möglich einen Impfstoff zu entwickeln. Es ist erfreulich, dass bereits zwei Impfstoffkandidaten nach so kurzer Zeit die Zulassung in der Schweiz durch Swissmedic erhalten haben und zwei weitere Kandidaten von Swissmedic geprüft werden. Denn klar ist: Die Pharmaindustrie trägt einen bedeutenden Teil dazu bei, um diese Pandemie langfristig in den Griff bekommen. Allerdings übertrifft die aktuelle Nachfrage an Impfstoffen weltweit die bestehenden Produktionskapazitäten.

Normalerweise schafft es nur etwa jeder zehnte experimentelle Impfstoff bis zur behördlichen Zulassung. Die Entwicklung einer neuen Therapie kostet weit mehr als eine Milliarde Franken. Den grössten Teil der Erforschung von Medikamenten und Therapien tätigt die forschende Pharmaindustrie selbst. Weit bevor eine Firma die Zulassung für ihren COVID-Impfstoff erhält, muss sie grosse und risikobehaftete Vorinvestitionen in den Aufbau von Produktionskapazitäten tätigen, um die Versorgung mit dem Impfstoff sicherzustellen. Die Firma trägt das Risiko, dass ihr Impfstoff nicht zugelassen wird. In dem Fall kann sie die getätigten Investitionen nicht decken.

Die Schweiz ist ein weltweit führender Standort der forschenden Pharmaindustrie: Die Pharmaindustrie ist im Jahr 2020 für 45 Prozent aller Schweizer Exporte verantwortlich. Diese Exporte bringen 99.1 Milliarden Franken ein – verglichen mit der Grösse des Inlandmarktes von 6.3 Milliarden Franken ist diese Zahl enorm gross und zeigt, wie wichtig die Exporttätigkeit der Pharmaunternehmen für den Schweizer Produktionsstandort ist. Entsprechend kann die Produktion in der Schweiz langfristig nur sichergestellt werden, wenn die Unternehmen gute Rahmenbedingungen vorfinden und ungehindert exportieren können. Eine vollständige Verlagerung der Produktionsketten in die Schweiz ist hingegen eine unrealistische Forderung in unserem arbeitsteiligen Wirtschaftssystem, ganz abgesehen davon, dass der Schweizer Markt viel zu klein ist, um Produktionsanlagen exklusiv nur für den Schweizer Markt effizient zu betreiben. Hinzu kommt: Selbst die Produktion eines herkömmlichen Medikaments ist ein komplexer Prozess. Die Synthese eines chemischen Präparats erfolgt nicht selten über 20 Stufen, die sich auf verschiedene – oft rund um die Welt befindliche – Fertigungsstätten verteilen, die alle regelmässig von den verschiedenen Zulassungsbehörden streng kontrolliert werden. Ein solch hochkomplexes System lässt sich nicht einfach in ein Land verlagern. Zudem wäre die Schweiz als Exportnation die grösste Verliererin einer protektionistischen Politik, sollten andere Länder ihre inländische Pharmaproduktion fördern und weniger Importe zulassen oder diese mit Zöllen prohibitiv hoch belasten.

Dass Gesundheitskrisen durch die Verstaatlichung der pharmazeutischen Produktion gelöst werden könnten, ist zudem ein Irrglauben, welcher die Krisenresistenz unseres Gesundheitssystems in grosse Gefahr bringen würde. Die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit würden mit einer Verstaatlichung massiv geschmälert.

Die Krise hat deutlich gezeigt, wie robust die Lieferketten der forschenden Pharmaindustrie sind. Die Widerstandsfähigkeit des Pharmastandorts Schweiz ist ein starker Pfeiler für die Versorgungssicherheit und den Wohlstand unseres Landes. Sie kann aber weiter gestärkt werden, etwa durch verbesserte Transparenz und erhöhte Lageranforderungen entlang der ganzen Vertriebskette; der Überprüfung der Pflichtlagerhaltung und deren Finanzierung, einer Aussenwirtschaftspolitik die sich zur Sicherung von offenen Grenzen einsetzt und Zugangs- und Vergütungsregeln, welche Kosten, Qualität und Versorgungssicherheit besser ausbalancieren.

Das Jahr 2021 stellt die Industrie vor die Aufgabe, ihren Kampf gegen die Pandemie fortzuführen. Es ist dabei zentral, dass die Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit nicht verschlechtert werden. Der beste Weg, um den Pharmastandort Schweiz zu stärken, ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in der Schweiz. Dazu gehören

  • die Sicherung des Zugangs zu den Exportmärkten (zum Beispiel über Freihandelsabkommen wie mit Indonesien)
  • der Erhalt und die Weiterentwicklung der Bilateralen
  • eine konsequentere Bekämpfung sämtlicher Initiativen, die den Schweizer Standort schwächen (z.B. Forschungsverbotsinitiative)

Denn ein starker Pharmastandort ist die beste Krisenvorsorge. Wir sind als Industrie auf offene Grenzen und einen funktionierenden Personen- und Warenverkehr angewiesen. Wenn die Rahmenbedingungen für eine reibungslose Exporttätigkeit gegeben sind, können die Pharmaunternehmen die Produktion in der Schweiz langfristig aufrechterhalten. Der Zugang zum Europäischen Binnenmarkt ist für die Pharmaindustrie von wesentlicher Bedeutung.

Eine noch nie dagewesene Kooperation

Die Krise hat noch nie dagewesene Kooperationen unter den Firmen möglich gemacht. Wie Novartis kürzlich bekannt gab, hat das Unternehmen eine erste Vereinbarung über die Nutzung seiner Produktionskapazitäten und –kompetenzen unterzeichnet, um im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie die Herstellung des COVID-19 Impfstoffs von Pfizer-BioNTech zu unterstützen. Die Vereinbarung sieht vor, dass Novartis ihre aseptischen Produktionsanlagen in Stein, Schweiz, einsetzen wird.

Der Produktionsvereinbarung zufolge plant Novartis, den mRNA-Wirkstoff in Grossbehältern von BioNTech zu übernehmen und unter aseptischen Bedingungen in Injektionsflaschen zu füllen, die dann an BioNTech zurückgehen und von dort weltweit an Kunden im Gesundheitswesen verteilt werden.

Die Zusammenarbeit von Lonza und Moderna ist ein weiteres grossartiges Beispiel für Zusammenarbeit über die Grenzen hinaus. Die aktuelle COVID-19-Situation zeigt deutlich, dass die Zusammenarbeit innerhalb unserer Branche der einzige Weg ist, um Pandemien jetzt und in Zukunft zu bekämpfen. Vor Kurzem hat Moderna Lonza als Produktionspartner für den Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus ausgewählt, was eine Verzehnfachung der Produktionskapazität bedeutet.

Dr. René P. Buholzer

Geschäftsführer

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Interpharma ist der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz und wurde 1933 als Verein mit Sitz in Basel gegründet.

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