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26. November 2024

Die Herausforderung Antibiotika, erklärt in 3 Grafiken

Es gibt zu wenige Antibiotika und zu viele Resistenzen. Das hört man oft, doch was heisst das genau und was sind die Ursachen? Wir erklären das Problem anhand weniger Grafiken.

Alleine 2019 starben weltweit mehr als 1.2 Mio. Menschen an Infektionen, die durch antibiotikaresistente Bakterien ausgelöst wurden – und wegen der Resistenzen nicht mehr behandelt werden konnten. Bis zum Jahr 2050 könnten es schon weit über 8 Millionen Todesfälle jährlich ein, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Antibiotikaresistenzen sorgen aber nicht nur für viele Todesfälle, sondern schwächen die Gesellschaft auch auf andere Arten: So warnt die Weltbank, bis 2030 könnten 24 Millionen Menschen alleine wegen der Folgen von Antibiotikaresistenzen in extremer Armut leben. Dies liegt daran, dass Antibiotikaresistenzen die Wirksamkeit von Behandlungen verringern, was zu schwereren und länger andauernden Krankheiten führt. Konkret können sich Betroffene in vielen Ländern die viel schwierigere und teure Behandlung von resistenten Infektionen nicht oder kaum leisten – und es belastet auch die Gesundheitssysteme stark. Zudem führen schwere Krankheitsverläufe und höhere Sterblichkeitsraten zu einem Verlust an Arbeitskräften und Produktivität für die Volkswirtschaften. Und: Antibiotikaresistenzen betreffen gerade auch die Tierhaltung und die Landwirtschaft, was die Nahrungsmittelversorgung in zahlreichen Ländern gefährdet. Daher gilt: Je besser die Ursachen von Antibiotikaresistenzen bekämpft werden können, desto besser für die ganze Welt.

Wie Resistenzen entstehen

Antibiotikaresistenzen entstehen, wenn Bakterien sich so verändern, dass Antibiotika ihnen nichts mehr anhaben können. Dies passiert laufend durch Mutationen in ihren Genen oder durch den Austausch von Resistenzgenen zwischen Bakterien.

Die Hauptursachen sind:

  1. Übermäßiger Einsatz von Antibiotika – z. B. bei viralen Infektionen (z.B. Erkältungen) oder in der Tierhaltung.
  2. Falsche Anwendung – zum Beispiel zu kurze Einnahme oder Abbruch der Behandlung.
  3. Fehlerhafte Dosierung – entweder zu wenig oder unnötig starke Antibiotika.

Dadurch überleben resistente Bakterien, vermehren sich und breiten sich aus. Deshalb ist es enorm wichtig, Antibiotika verantwortungsvoll und genau wie von der Ärztin/vom Arzt verschrieben einzusetzen.

Die kurze Lebensdauer von Antibiotika

Meist werden bereits wenige Jahre nach der Einführung neuer Antibiotika erste Resistenzen nachgewiesen – manchmal sogar noch während der «Entdeckung» selber. Das macht die Forschung zu einem Rennen gegen die Zeit – bei einer durchschnittlichen Entwicklungsdauer von Medikamenten von rund 12 Jahren. Die Entwicklung eines neuen Antibiotikums kostet zudem oft Milliardenbeträge, auch aufgrund der Misserfolgsrate von rund 97%. Umso wichtiger ist daher, dass bestehende Antibiotika zielgerichtet und zurückhaltend eingesetzt werden: Damit kann die Bildung von Resistenzen zwar nicht verhindert, aber immerhin verzögert werden. Es wird also Zeit gewonnen für die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika. Für viele Patientinnen und Patienten kann das über Leben und Tod entscheiden.

Die Schweiz ist auf gutem Weg, aber…

Im internationalen Vergleich zählt die Schweiz zu den Ländern mit dem niedrigsten Antibiotikaverbrauch. In den letzten 10 Jahren zeigt sich zudem eine positive Veränderung beim Einsatz von Antibiotika: So werden bei gewöhnlichen bzw. unkomplizierten Infektionen vermehrt «Access-Antibiotika» anstelle von «Watch-Antibiotika» eingesetzt. Die «Watch-Antibiotika» bleiben somit für kompliziertere Infektionen reserviert, was dazu beiträgt, die Resistenzbildung gegen diese wichtigen Medikamente zu verlangsamen. Die Schweiz sollte sich jedoch nicht auf diesem Erfolg ausruhen. Es bleibt das Ziel den Einsatz von «Watch-Antibiotika» weiter zu reduzieren. Zudem zeigen sich innerhalb der Schweiz deutliche regionale Unterschiede. So ist der Antibiotikaverbrauch in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz um einiges höher als in der Deutschschweiz.

Quelle: BAG-Bulletin 47/2024

«Eiserne Reserve» – wichtig, aber folgenreich

Neu entwickelte Antibiotika werden deshalb meist nicht sofort nach der Zulassung schon eingesetzt, sondern möglichst lange «in Reserve» gehalten und nur an Patientinnen und Patienten eingesetzt, bei denen alle herkömmlichen «Kandidaten» nicht mehr wirken. Aus medizinischer Sicht ist dieses Vorgehen absolut richtig. Es gibt aber eine Kehrseite: Wenn neue Antibiotika möglichst lange im «Reserveschrank» bleiben sollen, bedeutet das für die Herstellerfirma, die den Aufwand und die Kosten für Forschung und Entwicklung hatte, nun kein «Markt» für ihr funktionierendes Produkt besteht. In der Konsequenz decken die Einnahmen aus neuen Antibiotika bei vielen Pharmaunternehmen bei Weitem nicht die Kosten der Forschung und Herstellung. Viele Unternehmen mussten sich in den letzten Jahren daher aus dem Bereich zurückziehen oder sind deswegen sogar ganz verschwunden. Zudem gibt es auch bei noch wirksamen «alten» Antibiotika ein Problem: Die tiefen Preise, die zudem staatlich laufend noch reduziert werden. Für viele Firmen ist es deshalb nicht möglich, die Antibiotika kostendeckend im Markt zu halten

Lösungsansatz: Anreizsysteme

Um diesen «Brain-Drain», also den Rückzug oder das Verschwinden innovativer forschender Unternehmen aus dem Bereich zu vermeiden und die Entwicklung neuer Antibiotika zu stärken, haben diverse Länder wie die USA, das Vereinigte Königreich oder Schweden Anreizsysteme für Antibiotika getestet, respektive eingeführt. Solche Anreize können Markteintrittsprämien oder jährlich garantierte und von den Verkäufen unabhängige Vergütungen sein. Die Hersteller verpflichten sich im Gegenzug dazu, die Versorgung im Markt zu garantieren. Diese Anreizsysteme stellten sich als Erfolg heraus: Die meisten der 18 zwischen 2010 und 2020 zugelassenen Antibiotika waren in den betreffenden Ländern innerhalb kurzer Zeit verfügbar.

Schweizer Patientinnen und Patienten warten lange auf neue Antibiotika

In der Schweiz warten Patientinnen und Patienten deutlich länger auf die Verfügbarkeit von neuen Antibiotika als in anderen Ländern. Von den oben erwähnten 18 antibakteriellen Substanzen wurden bis Ende 2019 in der Schweiz lediglich sechs zugelassen. Aufgrund der langen Wartezeit bis zur Zulassung schafften es diese sechs Substanzen im Schnitt erst 2.5 Jahre nach der Zulassung auf den Schweizer Markt. Die Schweiz belegt von den 15 aufgeführten Nationen den elften Platz, was die Anzahl eingeführter Antibiotika betrifft. Mit 967 Tagen, bis ein Antibiotikum auf dem Markt ist, landet die Schweiz bei der «Wartezeit» ebenfalls auf dem elften Platz – hier gibt es also noch viel Handlungsbedarf.

Antibiotikaresistenzen: Interpharma fordert Anreize für Forschung & Entwicklung

  1. Neben Anreizen für die Forschung, sind Marktanreize ebenso wichtig. Es braucht neue Instrumente für die Vergütung von neuen Antibiotika, die unabhängig von der Verschreibungsmenge sind.
  2. Neue Antibiotika sollten als Versicherung gegen künftige Gesundheitskrisen angesehen werden. Bei der Preisfestsetzung sollte deshalb nicht nur der Wert für Patientinnen und Patienten, sondern auch der gesellschaftliche Wert, also die Verfügbarkeit neuer Antibiotika als Reservemedikation zur Behandlung von multiresistenten Keimen sicherzustellen, berücksichtigt werden.
  3. Das Tarif- und Preisfestsetzungsverfahren für neue Antibiotika sollte vereinfacht und beschleunigt werden.

Michael Schoy

Michael Schoy

Communication Manager

+41 79 799 29 08

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Interpharma ist der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz und wurde 1933 als Verein mit Sitz in Basel gegründet.

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