Der Bundesrat hat vorgelegt, in welche Richtung er das elektronische Patientendossier entwickeln will. Die Richtung stimmt, doch das angeschlagene Tempo könnte ambitionierter sein.
Wer in der Schweiz seine Gesundheitsdaten elektronisch erfassen will, hat einen schweren Stand. Von einer flächendeckenden Verbreitung sind wir weit entfernt. Obwohl der Begriff elektronisches Patientendossier (EPD) heisst, kann man ein solches nicht rein online eröffnen. Hat man trotzdem den Aufwand auf sich genommen und eine Eröffnungsstelle aufgesucht, hat man zwar ein Patientendossier – aber keinen wirklichen Nutzen. Ein PDF-Friedhof sei es, monieren Kritiker. Nun hat der Bundesrat reagiert: Im April hat er verkündet, wie er das EPD entwickeln will, so dass Patientinnen und Patienten den besten Nutzen daraus bekommen: Eine Plattform für ihre strukturierten Daten, mit denen sie ihre eigene Gesundheit, den medizinischen Fortschritt sowie die Funktionsweise des Gesundheitssystems positiv beeinflussen können.
Der Bundesrat will das EPD künftig zum Instrument der obligatorischen Krankenversicherung machen. Damit erhält er eine weitreichende Regelungskompetenz, um das EPD als funktionierende Infrastruktur eines Gesundheitsdatenökosystems zu entwickeln. Zudem will er die Aufgaben und Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen klarer regeln. Dies betrifft auch die Finanzierung. Weiter will der Bundesrat, dass ambulant tätige Gesundheitsfachpersonen ein EPD führen müssen. Zudem will er abklären, ob Patienten künftig ebenfalls ein elektronisches Patientendossier erhalten, sofern sie es das nicht explizit ablehnen – also das so genannte Opt-Out-Modell.
Um das gewaltige Potential von Gesundheitsdatenökosystemen und somit dem EPD nutzbar zu machen, ist ein weiterer Entscheid des Bundesrats von immenser Bedeutung: Forschende sollen Zugriff auf anonymisierte Daten aus dem EPD bekommen, wenn die Patientinnen und Patienten dazu ihre Einwilligung geben. Dynamische Daten sollen über eine zentrale Plattform verfügbar werden. Und ganz zentral: Der Bundesrat will prüfen, wie eine künftige staatliche E-ID für den Zugang zum EPD genutzt werden kann.
Dass der Bundesrat mit Finanzhilfe die Übergangsphase des EPD sicherstellt, ist ebenfalls wichtig. All diese Entscheide gehen klar in die richtige Richtung. Einzig fraglich ist, bis wann der Bundesrat die gesteckten Ziele erreichen will: Denn hierzu schweigt er sich bisher aus. Hält man sich vor Augen, wie weit die Schweiz bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens im internationalen Vergleich bereits im Hintertreffen ist und dass hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung von innovativen Therapien deshalb schon heute andernorts getätigt werden, wird klar: Es ist jetzt Zeit zu handeln.
In Ergänzung zum bundesrätlichen Fahrplan lassen sich folgende Forderungen stellen – wie sie die Allianz «Digitale Transformation im Gesundheitswesen» gemeinsam erarbeitet hat. Dabei handelt es sich um eine breit abgestützte Multistakeholder-Gruppe, zu der auch Interpharma gehört:
Das elektronische Patientendossier ist ein wichtiger Teil eines Gesundheitsdatenökosystems, es ist aber nicht hinreichend. Welche Massnahmen es darüber hinaus braucht, hat der Bundesrat kürzlich in seiner Antwort auf das Postulat der Nationalrätin Ruth Humbel teilweise behandelt. Wichtig ist, dass der Bund nun gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren des Gesundheitswesens die nötigen Massnahmen aufgleist und umsetzt.
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