Blogserie zum KP2, Teil 2 - Wenn der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden soll - Interpharma

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5. Oktober 2022

Blogserie zum KP2, Teil 2 – Wenn der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden soll

Mit dem Kostendämpfungspaket 2 (KP2) möchte der Bundesrat die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen dämpfen. Doch viele der vorgeschlagenen Massnahmen gehen vor allem zulasten von Qualität und der Versorgung im Gesundheitswesen – und die grossen Probleme beim Zugang der Patientinnen und Patienten zu Medikamenten werden auch weiterhin nicht angepackt. In einer dreiteiligen Blogserie analysiert Interpharma das KP2 und zeigt auf, warum es grossen Verbesserungsbedarf gibt.

In Folge 1 dieser Blogserie haben wir aufgezeigt, dass die Pharmabranche u.a. mit den dreijährlichen Preisüberprüfungen schon heute überdurchschnittlich zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beiträgt. Ausserdem wurde aufgezeigt, weshalb die Preismodelle, die im Rahmen des KP2 rechtlich verankert werden sollen, von der Branche mitgetragen werden, obschon diese Umsatzeinbussen für die Firmen bedeuten: Weil sie letztlich dem Wohl der Patientinnen und Patienten dienen und einen schnellen Zugang zu neuen Innovationen ermöglichen. Denn die Pharmaindustrie in der Schweiz bekennt sich zu einem nachhaltig finanzierten Gesundheitswesen und ist entsprechend bereit, weiterhin ihren Beitrag zu kostendämpfenden Massnahmen zu leisten – hier sind auch alle anderen Akteure im Gesundheitswesen gefordert.

Kostenprimat verletzt den Willen der Bevölkerung

Ebenso wichtig wie die Finanzierbarkeit ist für Interpharma aber auch eine qualitativ hochstehende und gleichberechtigte Gesundheitsversorgung. Die Kostendämpfung darf deshalb nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss Hand in Hand gehen mit dem Qualitätsgedanken und der Versorgungssicherheit. Das ist auch vom Gesetzgeber so gewollt: Art. 43 Absatz 6 KVG hält ausdrücklich fest, dass die gesundheitliche Versorgung sichergestellt sein soll – aber nicht nur zu möglichst günstigen Kosten, sondern auch qualitativ hochstehend. Demnach sollen sich im Gesundheitswesen die Elemente Versorgungssicherheit, Kosten sowie Qualität die Balance halten. Keines ist wichtiger als das andere, sondern alle drei Elemente tragen gleichermassen zu einem optimal austarierten Gesundheitssystem bei, das den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten, die zugleich auch Prämienzahler sind, optimal entspricht (Abb. 2).

Abbildung 2

Wird jedoch eines der Elemente über die anderen gestellt, ergibt sich eine gefährliche Asymmetrie, die im Extremfall zu einem Versagen des Systems führen kann. Eine reine Kostenfokussierung verletzt den erklärten und mehrfach manifestierten Willen der Bevölkerung nach einem Gesundheitswesen, das allen Personen gleichberechtigt, rasch und in hoher Qualität offensteht (vgl. Gesundheitsmonitor). Tatsächlich sind die Sorgen diesbezüglich durchaus begründet. Es ist leider Fakt, dass ein rascher, gleichberechtigter Patientenzugang in der Schweiz schon seit Jahren nicht mehr gewährleistet ist. Die starke Kostenfokussierung in der Politik hat dazu geführt, dass sich anbahnende Probleme in den Bereichen Qualität oder Versorgungssicherheit sträflich vernachlässigt werden: Damit ein Medikament für Patientinnen und Patienten wirklich zugänglich ist, muss es nicht nur zugelassen sein (durch Swissmedic), sondern es muss auch durch die Krankenversicherungen vergütet werden. Gewährleistet ist das erst, nachdem das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Nutzenbewertung vorgenommen, den Medikamentenpreis festgelegt und die Arznei auf die Spezialitätenliste aufgenommen hat. In der Realität gibt es eine immer grössere zeitliche Verzögerung zwischen der Marktzulassung von Medikamenten und ihrer tatsächlichen Verfügbarkeit (Abb. 3).

Abbildung 3: PatientInnen warten mittlerweile im Mittel 217 Tage statt der vorgesehenen 60 Tage auf den Zugang.

Während es 2015 von der Marktzulassung bis zur Aufnahme in die Spezialitätenliste im Mittel 42 Tage dauerte, beträgt diese Zeitspanne inzwischen 217 Tage. Dies widerspricht der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) des Bundes: KLV Art. 31b besagt, dass der Entscheid über die SL-Aufnahme durch das BAG in der Regel innert 60 Tagen gefällt werden muss. Im Jahr 2021 war das nur bei 10% der Gesuche der Fall, wohingegen es bei einem Drittel der Fälle sogar mehr als ein ganzes Jahr dauerte. Aufgrund dieser zunehmenden Dauer und des wachsenden Staus müssen Patientinnen und Patienten zu lange auf den Zugang zu hochinnovativen Medikamenten warten. In einem Gesundheitssystem wie dem unseren und gerade in Situationen, in denen Menschen auf diese hochinnovativen Behandlungsmöglichkeiten angewiesen sind, ist das unhaltbar. Der Teufel wird sozusagen mit dem Beelzebub ausgetrieben: Gezielt wird auf die Kosten, Leidtragende sind aber die Patientinnen und Patienten, weil sie zunehmend den Zugang zu benötigten Medikamenten verlieren.

Das echte Problem ist der Patientenzugang

Das wirklich drängende Problem im Gesundheitswesen sind nicht die Medikamentenpreise, wie gerne behauptet wird, sondern der sich laufend verschlechternde Patientenzugang! Leider hat der Bundesrat nun auch beim KP2 die Chance verpasst, den Zugang zu Arzneimittel in der Schweiz zu verbessern – obwohl er in diesem Rahmen entsprechende Massnahmen hätte vorschlagen können: Interpharma hat hierzu bereits vor Monaten mit dem Rückvergüteten Innovationszugang eine konstruktive und umsetzbare Lösung vorgeschlagen. Der Bundesrat ist aber offenbar nicht bereit, zeitnah auf diesen Vorschlag einzugehen. Die Patientinnen und Patienten brauchen aber keine leeren Versprechen, sondern Lösungen! Das Parlament muss daher nun dringend nachbessern und das Heft in die Hand nehmen, um den raschen und gleichberechtigten Patientenzugang sicherzustellen. Wir rufen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dringend dazu auf, für die Qualität und Versorgungssicherheit im Schweizer Gesundheitswesen einstehen. Die Patientinnen und Patienten verdienen eine hochstehende Gesundheitsversorgung und das entspricht auch dem Wunsch der ganzen Bevölkerung.

In Folge 3 dieser Blogserie vertiefen wir die Auseinandersetzung mit problematischen Aspekten des KP2.

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