Weltweit untersuchen Forschende innovative Verfahren zur Gewebeanalyse, um Krankheiten besser zu verstehen und die Entwicklung neuer Therapien zu beschleunigen. Diese Bemühungen zielen auch darauf ab, den Einsatz von Tierversuchen zu reduzieren und zu ersetzen. Ein vielversprechender Ansatz ist dabei der Einsatz von Stammzellen, die sich auf einzigartige Weise in verschiedene spezialisierte Zelltypen differenzieren können. Diese Zellen dienen als Grundbausteine des Körpers und können von der Muskelzelle bis zur Nervenzelle jede Form annehmen. Diese Vielseitigkeit ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Entwicklung und Funktion spezifischer Gewebe zu untersuchen und damit neue Erkenntnisse über Krankheitsmechanismen und mögliche therapeutische Anwendungen zu gewinnen. Indem sie diese Fähigkeit nutzen, können die Wissenschaftler*innen auch Mini-Organe – sogenannte Organoide – erschaffen, die menschliches Gewebe und Krankheiten genau nachahmen und als wertvolles und ethisches Mittel zur Weiterentwicklung von Forschung und Medizin dienen.
Stammzellen werden üblicherweise gezüchtet, indem man sie in kleinen Tropfen eines dreidimensionalen Gels platziert. Ein grosses Problem mit dieser Methode ist jedoch, dass sie die Nährstoffzufuhr bis ins Zentrum des Geltropfens erschwert, wodurch die Zellen in der Mitte absterben. Dies schränkt die Möglichkeiten ein, aus Stammzellen gewonnene Mini-Organe für längere Studien zu verwenden oder komplexere Organstrukturen zu erschaffen. Während die Organoide wachsen, erhöht sich ihr Energiebedarf und sie benötigen mehr Nährstoffe und Sauerstoff. Mit aktuellen Methoden lässt sich das Wachstum nur für etwa 10 Tage unterstützen, sodass für das weitere Wachstum häufige Dissoziation und Zellumverteilungen erforderlich sind. Diese Schritte verhindern die Bildung von reiferen Organoiden, die für die Untersuchung der Organentwicklung und die Durchführung umfassenderer Screenings benötigt werden. Als Lösung haben Sunghee Estelle Park und ihre Kollegen aus der Forschungsgruppe von Dan Huh in der Abteilung für Bioingenieurwesen an der Universität von Pennsylvania eine neue Methode entwickelt, um Nährstoffe besser an die Zellen zu verteilen.
In einer bahnbrechenden Studie, die in Nature Methods veröffentlicht wurde, zeigten sie, dass von Mauszellen abgeleitete radial dispergierende intestinale Organoide auf einer scheibenförmigen Vorrichtung namens OCTOPUS (Organoid Culture-based Three-dimensional Organogenesis Platform with Unrestricted Supply of soluble signals) Organoiden einen besseren Zugang zu Nährstoffen und Sauerstoff ermöglichen und ihr Wachstum für bis zu 21 Tage unterstützen. Diese Methode half, einheitlichere Organoide zu schaffen und förderte die Entwicklung von Strukturen ähnlich denen, die im Dünndarm gefunden werden.
Anschliessend replizierten die Forschenden ihr Experiment mit Zellen aus dem erwachsenen menschlichen Darm und fanden heraus, dass das neue System bei der Züchtung von Enterozyten, d. h. den für die Nährstoffaufnahme zuständigen Zellen, hervorragend abschneidet. Dies ist bedeutsam, weil traditionelle Methoden dazu neigen, das Wachstum von an der Sekretion anstatt der Absorption beteiligten Zellen zu begünstigen. Die Fähigkeit des OCTOPUS-Systems, diese effektiveren Enterozyten herzustellen, macht es für die Entwicklung menschlicher Dünndarmmodelle nützlich. So verwendeten die Forschenden auch Zellen von Kindern mit Morbus Crohn (einer entzündlichen Darmerkrankung), um diese Krankheit im Labor zu untersuchen. Sie konnten Schlüsselmerkmale der Erkrankung wie Gewebeschäden und Entzündungen reproduzieren, was hilft, das Reizdarmsyndrom zu verstehen und Behandlungsmöglichkeiten dafür zu erforschen.
Mit OCTOPUS haben Sunghee Estelle Park und ihre Kolleg*innen eine neue Möglichkeit für langfristige Organoid-Kulturen mit funktionell und physiologisch relevanten Merkmalen für den Dünndarm geschaffen. Dieser innovative Ansatz könnte sich für die Entwicklung anderer Organoid-Systeme anpassen lassen, um verschiedene Gewebe und Krankheiten besser zu verstehen. Darüber hinaus verspricht er, die Arzneimittelentwicklung und die regenerative Medizin zu revolutionieren.
Autorinnen und Autoren: Christopher Cederroth, Jessica Lampe und Robbie I’Anson Price, Swiss 3R Competence Centre
Literatur: Park, S.E., Kang, S., Paek, J. et al. (2022) Geometric engineering of organoid culture for enhanced organogenesis in a dish. Nat Methods 19, 1449–1460. https://doi.org/10.1038/s41592-022-01643-8
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