Blogserie klinische Forschung Teil 1: Klinische Forschung ermöglicht die Entwicklung innovativer Medikamente - Interpharma

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16. Mai 2022

Blogserie klinische Forschung Teil 1: Klinische Forschung ermöglicht die Entwicklung innovativer Medikamente

Klinische Studien sind zentral für die Erforschung und Entwicklung von neuen Medikamenten und Impfstoffen. Während der SARS-CoV-2-Pandemie wurde deutlich, wie innovative Forschungsprojekte und die rasche und sichere Durchführung von klinischen Studien die rasante Entwicklung und Zulassung von Diagnostika, Impfstoffen und Medikamenten ermöglichte. Um die Schweiz als führenden Forschungsstandort zu erhalten, müssen die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden. Nur so kann der Zugang zu klinischen Studien und somit zu innovativen Medikamenten für Patientinnen und Patienten mit oft lebensbedrohlichen Krankheiten, nachhaltig gesichert werden.

Vor der klinischen Forschung braucht es allerdings eine starke Grundlagenforschung, um Krankheitsmechanismen zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.

Grundlagenforschung als Basis für die Entwicklung von neuen Medikamenten

Allein in der Schweiz beschäftigen sich tausende Forschende an Universitäten und in forschenden pharmazeutischen Firmen mit den grundlegenden Prozessen der Krankheitsentstehung. Ohne das tiefgründige Verständnis, Ideen und Zufallsentdeckungen aus der Grundlagenforschung wäre die Entwicklung neuer Medikamente praktisch nicht möglich. Dabei werden Ansatzpunkte (Target) für neue Therapien identifiziert. Ein Target ist zum Beispiel ein Protein, bei dem Forschende vermuten, dass es an der Entstehung von Krebs beteiligt ist. Werden solche Targets beispielsweise blockiert oder stimuliert, kann dies direkte Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben und im besten Fall zu einer Heilung führen.

Schlüssel-Schloss-Prinzip

Ist ein geeignetes Target gefunden, folgt im nächsten Schritt die Suche nach einer passenden Wirksubstanz. In maschinell durchgeführten Massentests (dem sogenannten High Throughput Screening) wird das «Target» mit bis zu 200.000 verschiedenen Substanzen pro Tag zusammengebracht und auf eine Wechselwirkung getestet. Diese Wechselwirkung findet statt, wenn der eingesetzte Wirkstoff das Target entweder hemmt oder aktiviert.

Dies geschieht nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Der zu beeinflussende Angriffspunkt ist dabei das Schloss, zu welchem von unzähligen Schlüsseln, die in diesem Vergleich die Substanzen bzw. Wirkstoffe sind, letztlich nur wenige passen.

Substanzen, bei denen eine Reaktion mit dem Target stattfindet, werden Hits genannt. Diese werden im Anschluss weiter auf ihre Wirkstärke hin untersucht. Im Durchschnitt werden von ursprünglich 5’000 bis 10’000 untersuchten Hits nur 20 weiterverfolgt.

Da die Hits, also die Substanzen, die mit dem Angriffspunkt reagiert haben, sich in ihrer ursprünglichen Form noch nicht zum eigentlichen Wirkstoff eignen, werden sie chemisch so verändert, dass sie die Voraussetzungen für einen neuen Medikamentenwirkstoff erfüllen können. Bildlich gesprochen könnte man sagen, dass der Schlüssel zuvor in das Schloss passte, sich aber nur sehr mühsam drehen liess, die gewünschte Wirkung also entweder gar nicht oder in zu geringem Mass eintrat. Der Schlüssel wird nun also so verändert, bis das Schloss ohne Probleme geöffnet werden kann.

Nur wenn sich ein Wirkstoff in allen präklinischen Tests bewährt, können im Rahmen der klinischen Forschung Untersuchungen im Menschen gestartet werden. Das neue Medikament durchläuft dabei unterschiedliche Phasen der klinischen Prüfung (Phase I-III), die der Untersuchung von Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments dienen (siehe Abbildung). Selbst nach der Zulassung des Medikaments wird die Anwendung weiter beobachtet, damit mögliche seltene Nebenwirkungen rasch identifiziert werden können (Phase IV). Die Erkenntnisse aus dieser Phase werden dabei laufend in die Patienten- und Fachinformation eingebracht.

Phase I – Erste Erprobung am Menschen zur Prüfung der Verträglichkeit

In dieser Phase der Medikamentenentwicklung werden geringe Mengen des neuen Wirkstoffes an einige Dutzend gesunde Freiwillige (Probanden) verabreicht. Da diese gesund sind, lässt sich hier noch keine Aussage über die Wirksamkeit der neuen Substanz machen. Vielmehr wird in dieser Phase geprüft, ob sich die Vorhersagen aus den Tierversuchen hinsichtlich Verträglichkeit, Aufnahme, Verteilung, Umwandlung und Ausscheidung beim Menschen bestätigen. Anhand ihrer Reaktionen bei unterschiedlichen Dosierungen werden zudem die Nebenwirkungen im menschlichen Organismus sowie geeignete Dosierungen deutlich.

Aus den gesammelten Daten dieser Testphase errechnet man die geeignete Verabreichungsform des neuen Medikaments wie Tabletten, Kapseln oder Tropfen. Ist die für das neue Medikament beste Form gefunden, beginnt die Produktion in grösseren Mengen.

Phase II – Klinische Tests zur Erprobung der Wirksamkeit

Durch die Zusammenarbeit von Pharmafirmen und klinischen Forschungsorganisationen mit Kliniken wie zum Beispiel Universitätsspitälern und anderen medizinischen Einrichtungen können in dieser Phase erste erkrankte Patienten in die weitere Entwicklung neuer Medikamente mit einbezogen werden. Ihre behandelnden Ärzte weisen sie auf diese Möglichkeit hin und betreuen sie bei Interesse während der Behandlung im Rahmen der Studie. Im Durchschnitt nehmen 100-500 Patientinnen und Patienten an einer Studie dieser Phase teil. Neben der Wirksamkeit des Medikaments werden auch die Verträglichkeit und die optimale Dosierung festgestellt.

Diese Beobachtungen können am zuverlässigsten gemacht werden, wenn die Patienten in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Die eine Gruppe erhält dabei das neue Medikament, die andere das Standardpräparat oder ein Placebo – ein Medikament ohne Wirkstoff. Dabei werden die Gruppen von den betreuenden Ärzten nach dem Zufallsprinzip eingeteilt, die Zuteilung wird randomisiert. Es gibt Studien, in denen weder die Patienten noch die Ärzte wissen, wer welcher Gruppe angehört. Diese Studien nennt man Doppelblindstudien. Dabei sind die Medikamentenverpackungen lediglich mit Codenummern versehen, die in die Patientenakten eingetragen werden, um bei der Auswertung nachvollziehen zu können, wer das Medikament und wer ein Placebo erhalten hat. Während der Behandlung ist nicht auszumachen, zu welcher Gruppe die Patientin oder der Patient gehört. Durch dieses Vorgehen soll vermieden werden, dass Hoffnungen oder Befürchtungen der Patienten die Wirkung des Medikaments beeinflussen.

Phase III – Klinische Tests zum Belegen von Behandlungserfolgen

In dieser Phase wird das neue Medikament an vielen tausend Patienten erprobt, um zu sehen, ob die Verträglichkeit und Wirksamkeit auch bei sehr vielen unterschiedlichen Menschen vergleichbar bleibt. Häufig wird in Studien beobachtet, dass ein Medikament bei unterschiedlichen Menschen anders oder gar nicht wirkt. Dies liegt meist an individuellen Eigenschaften des Patienten wie Blutwerten oder genetische Besonderheiten. Solche Indikatoren, welche die Wirkung von Medikamenten beeinflussen, nennt man Biomarker. Mittlerweile sind durch Studien bereits für einige Medikamente bestimmte Merkmale im Menschen bekannt, die die jeweilige Wirkung beeinflussen. Anhand der Biomarker-Tests kann man die Patienten finden, welche besonders gut auf die Therapie ansprechen. Neben dieser Überprüfung der Wirksamkeit in der breiten Masse werden ausserdem Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten untersucht. Am Ende der klinischen Phase steht die Auswertung nach zuvor gesetzten «Endpunkten». Diese geben den gewünschten Effekt des neuen Medikaments vor. Bei infektiösen Krankheiten ist beispielsweise das vollständige Abklingen der Infektion oder bei chronischen Krankheiten eine möglichst lange Spanne zwischen den einzelnen Schüben das Ziel.

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