Blogserie Gesundheitskosten, Teil 1: Die Mär von der «Kostenexplosion» ist am Ende - Interpharma

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2. Februar 2023

Blogserie Gesundheitskosten, Teil 1: Die Mär von der «Kostenexplosion» ist am Ende

Hartnäckig halten sich Befürchtungen, wonach die steigenden Kosten das Gesundheitswesen kollabieren lassen könnten. Aber hat in den vergangenen Jahren wirklich eine «Explosion der Gesundheitskosten» stattgefunden? Und: ist die Klage über das ungebremste Kostenwachstum aktuell gerechtfertigt? Beide Fragen können klar verneint werden, wie unsere Blogserie zeigt.

Die Sorge um die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ist nicht neu. 2017 erschien der Expertenbericht Diener (2017), der im Auftrag des Eidgenössischen Departement des Innern 38 kostendämpfende Massnahmen vorschlug und die Grundlage der aktuellen Politik bildet. Der Diener-Bericht befasste sich damals auch mit der Frage, wie hoch ein jährlich nachhaltig verträgliches Wachstum der Gesundheitskosten sein dürfte und gab einen Richtwert von 2.7% vor. Wenn ich an die politischen Diskussionen der vergangenen Jahre denke, ging es dabei mehrheitlich um stetig steigende Gesundheitskosten und entsprechende Befürchtungen, dass diese bald nicht mehr tragbar seien. Aber hat diese Explosion der Gesundheitskosten in den vergangenen zehn Jahren wirklich stattgefunden und ist die Klage über das ungebremste Kostenwachstum gerechtfertigt? Beide Fragen können klar verneint werden.

Wachstum der Gesundheitskosten pro Kopf schwächt sich ab

Betrachtet man die Entwicklung der Gesundheitskosten pro Kopf seit den 1970er Jahren, so kann wahrlich nicht von einer Kostenexplosion gesprochen werden. Vielmehr stellen wir fest, dass das Wachstum der Gesundheitskosten pro Kopf sich abschwächt – und dies bereits seit Jahrzehnten. Es ist zwar richtig, dass die Kosten absolut gesehen wachsen, der Haupttreiber dieses Wachstums ist jedoch die Demografie. Die Bevölkerung in der Schweiz wächst und der Anteil älterer Menschen in unserer Gesellschaft steigt. Die zunehmende Alterung der Gesellschaft war gerade in den letzten Jahren ein Wachstumstreiber der Kosten. Dieser Trend hält an und wird sich erst Mitte des Jahrhunderts abschwächen. Zudem wissen wir, dass bei steigendem Wohlstand auch die Gesundheitsausgaben steigen. Wenn die Menschen wohlhabender werden, geben sie in der Regel auch mehr Geld für die Gesundheit aus. Über den gesamten Zeitraum gesehen erklärt der Einkommenszuwachs denn auch rund die Hälfte des Wachstums. Der internationale Vergleich innerhalb der OECD zeigt, dass die Schweiz bezüglich Kosten zu BIP absolut im europäischen Rahmen liegt. Von einer Kostenexplosion zu sprechen, entspricht also nicht der Realität.

Fakt ist: Die Gesundheitskosten sind in den letzten 10 Jahren durchschnittlich um 2.9% gewachsen. Dieser Wert weicht nur gerade um 0.2 Prozentpunkte von dem im Diener-Bericht als nachhaltig genannten Richtwert von 2.7% ab, wobei das Wachstum der Medikamentenkosten mit jährlich 2.5% gar unter diesem Wert liegt. Dies hat wesentlich damit zu tun, dass Medikamente der einzige Bereich im Gesundheitswesen sind, wo regelmässig und institutionell verankert die Preise gesenkt werden. Die dreijährlichen Preisüberprüfungsrunden bringen jährliche Einsparungen von über 1.2 Milliarden Franken. Dennoch fokussiert ein grosser Teil der Kostendämpfungsmassnahmen des Diener-Berichts auf die Medikamente. Aufgrund der vorliegenden Fakten lässt sich dies nicht rechtfertigen.

Der Zündstoff liegt woanders

Kosten sind immer nur eine Seite der Medaille. Es stellt sich die Frage nach dem Nutzen der wachsenden Ausgaben im Gesundheitswesen. Hier sehen wir stetige Fortschritte. Die Schweiz hat mit 83.2 Jahren eine der höchsten Lebenserwartungen weltweit. Gemäss der OECD werden die Menschen nur in Japan noch älter. Dazu leisten medizinische Innovationen einen wesentlichen Beitrag. Eine neue Studie (2022) von Prof. Lichtenberg von der Columbia University[1] zeigt auf, dass pharmazeutische Innovationen in den Jahren 1994-2010 in der Schweiz die frühzeitige Mortalität bei unter 85-Jährigen um einen Drittel reduziert haben. Dies kann auch am Beispiel der Krebserkrankungen gezeigt werden: Die Sterbefälle an Krebs sind seit 1995 um 24% gesunken. 50% aller Krebserkrankungen lassen sich heute erfolgreich behandeln.

Oft las man in den vergangenen Jahren von «Kostenexplosionen» hier, vom «Pulverfass Gesundheitswesen» da. Die nüchternen Daten aber zeigen, dass von einer «Explosion der Gesundheitskosten» nicht gesprochen werden kann. Am natürlichen Wachstumsfaktor Demografie sowie am technologischen Fortschritt lässt sich ausserdem schwerlich rütteln. Der echte Zündstoff im Gesundheitswesen liegt denn auch woanders: Nämlich die Explosion der Regulierungsmassnahmen. Dazu mehr im nächsten Teil unserer Blog-Serie.


[1] Quelle: Lichtenberg, Frank (2022): The association between pharmaceutical innovation and both premature mortality and hospital utilization in Switzerland, 1996–2019. Swiss Journal of Economics and Statistics (2022), 158:7.

Dr. René P. Buholzer

Geschäftsführer

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