Die Entwicklung eines neuen Medikaments dauert im Schnitt rund 12 Jahre und setzt hohe Investitionen voraus. Die Grundlagenforschung steht dabei ganz am Anfang und bildet die Basis für spätere Forschung. Dabei sind Tierversuche für die Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten unabdingbar.
Die Herstellung von Medikamenten, Impfstoffen und Therapien bedingt vertiefte Vorkenntnis unzähliger Moleküle, Substanzen und Wirkstoffe. Dazu dient die Grundlagenforschung. Diese zielt nicht auf die Entwicklung eines marktfähigen Produkts, sie ist ergebnisoffen. Dabei suchen die Forschenden nicht nach einer konkreten Eigenschaft, sondern sind an jeglichen Wirkungen interessiert. Die untersuchten Stoffe bilden die Grundlage für die medizinische Forschung. Aus den unzähligen Substanzen, die aus der Grundlagenforschung hervorkommen, schaffen es wenige in die vorklinischen und klinischen Studien. Demnach begann die Forschung an den Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 viel früher als erst bei Auftreten des Virus. Bei der Suche nach dem richtigen Wirkstoff gegen das Coronavirus griffen die Forscherteams auf untersuchte Stoffe der Grundlagenforschung zurück. Jeder Impfstoff basiert auf Tests mit Tausenden Substanzen, wovon bloss wenige Dutzend in eine engere Auswahl kommen. Dieser Prozess ist Teil der vorklinischen Prüfung.
Primär reduzieren die Forschenden die Zahl der potenziellen Substanzen anhand zweier Ausschlusskriterien: Wirksamkeit und Sicherheit. Diese zu messen ist eine komplexe Angelegenheit: Methodisch reicht die Spanne von Computersimulationen, Untersuchungen mit Bakterien, Zell- und Gewebekulturen bis hin zu isolierten Organen. Wenn alle anderen Testwege erschöpft sind, kommen Tierversuche zum Einsatz. Jeder Versuch, an dem Tiere beteiligt sind, muss von den kantonalen Veterinärbehörden genehmigt werden, die sich auf die Empfehlungen der unabhängigen kantonalen Kommissionen für Tierversuche berufen, um zu entscheiden, ob sie die Genehmigung, oft mit Auflagen, erteilen oder nicht. Zum Schutz von Patientinnen und Patienten vor schweren Nebenwirkungen sind Tierversuche vor klinischen Studien sogar gesetzlich vorgeschrieben. Durch diese regulatorischen Tierversuche ergründen die Forschenden, ob eine Substanz giftig ist und wie lange und stark sie wirkt. Ein giftiger Stoff kann Krankheiten oder Schäden am Erbgut auslösen. Aus ethischer Sicht darf ein solches Risiko bei der Behandlung von Menschen nicht in Kauf genommen werden. Die Wirkung von Impfstoffen wird anhand von produzierten Antikörpern gemessen. Dass die heutige Technologie es nicht erlaubt, eine solche Immunantwort in vitro – also ausserhalb des Körpers im Reagenzglas – zu simulieren, zwingt die Forschung, weiter auf Tierversuche zu setzen. Denn Tierversuche ermöglichen, die Wechselwirkungen eines Wirkstoffs in lebenden Organismen zu erforschen.
Ohne die vorklinische Prüfung an Tieren ist die Erforschung von neuen medizinischen Wirkstoffen demnach unethisch gegenüber den Probanden in den darauffolgenden klinischen Phasen. Darum verhindert die Ablehnung der Forschung mit Tieren den medizinischen Fortschritt. Die Forscher haben jedoch auch eine ethische Verpflichtung gegenüber dem Tierwohl. Aus diesem Grund verfolgen Pharmafirmen und wissenschaftliche Institutionen in der Schweiz die 3R-Strategie. In Anbetracht der unglaublichen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre steht ein Verzicht auf Tierversuche ausser Frage: Sonst hätten wir jetzt weder Impfstoffe gegen das Coronavirus noch wirksamere Therapien gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, verschiedene Formen von Krebs und andere schwere Krankheiten zur Verfügung. Aus diesen Gründen braucht es weiterhin jede einzelne und jeden Einzelnen, um gemeinsam für ein besseres Tierwohl einzustehen und so die Schweiz als einen der führenden Forschungsstandorte in Europa nicht zu gefährden.
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