Das Auftreten und die Ausbreitung antibiotikaresistenter Krankheitserreger bedrohen die erfolgreiche Behandlung häufiger bakterieller Infektionen. Auch medizinische Routineverfahren, für deren Durchführung Antibiotika vorbeugend zum Einsatz kommen, werden durch resistente Keime erschwert.[1] Im Jahr 2019 gab es weltweit schätzungsweise 4,95 Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit antimikrobiellen Resistenzen (AMR). Die COVID-19-Pandemie verschärfte das Problem, indem trotz bakterieller Ko-Infektionsraten von weniger als 10 % schätzungsweise 75 % der COVID-19-Patienten Antibiotika verschrieben wurden, was die Bildung von Antibiotikaresistenzen begünstigt hat[1].[2]
Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern haben negative klinische Folgen, darunter mehr Menschen, die mit Krankheiten leben müssen, längere Krankenhausaufenthalte und erhöhte Sterblichkeitsraten. Ein anhaltender Anstieg der Antibiotikaresistenzen könnte bis 2050 weltweit schätzungsweise 10 Millionen Todesfällepro Jahr verursachen – mehr als derzeit auf Krebs zurückgehen.[3]
Wirtschaftliche Effekte wie ein erhöhter Ressourcenverbrauch und höhere Behandlungskosten sind ein Risiko für die Gesundheitssysteme und die Gesellschaft insgesamt.[4] Bis 2050 könnten AMR global zu einem jährlichen Rückgang des BIP um -1.1 % bis 3.8 % führen.[5]
Diese Situation und die Geschwindigkeit, mit der sich Resistenzen entwickeln, zeigen die Notwendigkeit einer Reihe wichtiger Massnahmen. Zu diesen gehören u. a. ein verbesserter Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung, sauberem Wasser, Hygiene und sanitären Einrichtungen (ein sogenanntes «Antimicrobial Stewardship»), ein sachgemässer Umgang mit antimikrobiellen Mitteln sowie zusätzliche und nachhaltige Investitionen in die antimikrobielle Forschung und Entwicklung.[6]
Wir wissen, dass bestimmte Massnahmen den Anstieg der antimikrobiellen Resistenzen verlangsamen und Leben retten können. Es ist allgemein anerkannt, dass Stewardship und Überwachung zwei Kernelemente zur Eindämmung von AMR sind, in denen sich die Schweiz sehr engagiert. Seit Jahren setzt sich der Roundtable Antibiotika, eine Organisation, die Interessenvertreter mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringt, mit Verbesserungsvorschlägen ein. Unter anderem plädiert er konsequent dafür, einen finanziellen Anreizmechanismus für neue Reserveantibiotika einzuführen, damit mehr neue Wirkstoffkandidaten entwickelt werden.[7]
Die Europäische Union hat ihrerseits begonnen, das Problem anzugehen, und schlägt die Einrichtung eines finanziellen Unterstützungsmechanismus für innovative Antibiotika vor.[8] In ähnlicher Weise haben die Vereinigten Staaten mit dem Pasteur Act von 2023 ein erstes in diese Richtung weisendes Instrument eingeführt.[9] In der westlichen Welt gibt es viele Beispiele für Pilotprogramme (u.a. in Grossbritannien, Schweden, Deutschland und Frankreich).[10] Die Schweiz darf den Anschluss nicht verpassen, sondern sollte eine Führungsrolle im Kampf gegen AMR übernehmen.
Die Behörden und politischen Akteure beginnen die Wichtigkeit dieses Themas zu begreifen. Insbesondere durch die Initiierung einer Revision der StAR (Schweizer AMR-Strategie) und durch die Unterstützung des Roundtable Antibiotika wurden erste wichtige Schritte unternommen.[11] Wir dürfen es dabei nicht bewenden lassen und müssen diesen Weg fortsetzen, indem wir als Vorreiter neue Massstäbe setzen.
Mit seiner reichen diplomatischen und innovationsfreundlichen Tradition ist unser Land auch die Heimat von Weltklasse-Akteuren in der Grundlagen- und angewandten Forschung gegen AMR. Wir können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass neue Reserveantibiotika entwickelt werden. Angesichts der Schwere der Herausforderung und der Möglichkeiten, die in unserem Land bestehen, sowie aus eigenem Interesse sollte die Schweiz ihrer Verantwortung gerecht werden. Wir sind in der Pflicht, eine grosse Koalition von Staaten in die Lage zu versetzen, sich gemeinsam im Kampf gegen AMR zu engagieren, insbesondere durch die Einführung finanzieller Anreize für die Vermarktung.
Seit einigen Jahren fordern verschiedene politische Akteure, dass der Bund in diesem Bereich eine stärkere Rolle übernimmt, zum Beispiel durch die Organisation einer internationalen Konferenz der Gesundheitsministerinnen und -minister, die sich mit diesem Problem befasst. Die Reaktionen des Bundesrates[12] haben die lokalen Akteure verunsichert. Fakt ist: Die reine Teilnahme an internationalen Programmen reicht nicht aus.
Als Akteure, die sich in diesem gnadenlosen Kampf gegen Antibiotikaresistenzen engagieren, möchten wir als forschendes pharmazeutisches Unternehmen unterstreichen: Unser Land muss eine Führungsrolle übernehmen, internationale Konferenzen und Treffen initiieren sowie den Austausch über bewährte Verfahren und internationaler Aktionspläne anstossen, damit AMR endlich Einhalt geboten und die Krise überwunden wird.
Mehr zu Antibiotikaresistenzen und der Pharmaindustrie
[1] WHO Website, Factsheet Antimicrobial Resistance (2021) https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/antimicrobial-resistance Abgerufen im November 2023.
[2] The LANCET (2022), Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis Verfügbar unter: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)02724-0/fulltext Abgerufen im November 2023.
[3] Review on Antimicrobial Resistance (2016), Tackling Drug-Resistant Infections Globally: Final Report And Recommendations. Verfügbar unter: https://amr-review.org/sites/default/files/160525_Final%20paper_with%20cover.pdf. Abgerufen im November 2023.
[4] Europäische Kommission (2017). Ein europäischer Aktionsplan im Rahmen des Konzepts “Eine Gesundheit” gegen antimikrobielle Resistenzen. Verfügbar bei https://health.ec.europa.eu/system/files/2020-01/amr_2017_summary-action-plan_0.pdf#:~:text=The%20EU%20was%20quick%20to%20recognise%20the%20importance,action%20plan%2C%20its%20evaluation%2C%20the%20feedback%20received%20on Abgerufen im November 2023.
[5] World Bank Group (2017) Final Report, DRUG-RESISTANT INFECTIONS, A Threat to Our Economic Future. Verfügbar unter: https://documents1.worldbank.org/curated/en/323311493396993758/pdf/final-report.pdf Abgerufen im November 2023.
[6] WHO Website, Factsheet Antimicrobial Resistance (2021) https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/antimicrobial-resistance Abgerufen im November 2023.
[7] Roundtable Antibiotics, Unsere Aktivitäten (2023) https://roundtableantibiotics.ch/de/our-activities Abgerufen im November 2023.
[8] European Commission, Frequently Asked Questions (2023): Recommendation on stepping up EU actions to combat AMR in a One Health approach, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/qanda_23_1845 Abgerufen im November 2023.
[9] US Congress Website, Pasteur Act von 2023, (2023) Text: https://www.congress.gov/bill/118th-congress/senate-bill/1355/text?s=1&r=1&q=%7B%22search%22%3A%22PASTEUR+Act+of+2023%22%7D Abgerufen im November 2023.
[10] Health Policy (2021), Reimbursement models to tackle market failures for antimicrobials: Approaches taken in France, Germany, Sweden, the United Kingdom, and the United States, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0168851020302980 Abgerufen im November 2023.
[11] Schweizerische Eidgenossenschaft, Strategie Antibiotikaresistenz (2023) https://www.star.admin.ch/star/de/home.html Abgerufen im November 2023.
[12] Schweizer Parlament (2019), Motion Bea Heim et al. https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20194327 Abgerufen im November 2023.
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GCMA Nr. PP-UNP-CHE-0889; November 2023
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