Blogserie AMR awareness week 2023, Teil 3: Interview mit Claudio Thomasin, Senior Director Science & Technology bei Janssen Vaccines (Johnson & Johnson) - Interpharma

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22. November 2023

Blogserie AMR awareness week 2023, Teil 3: Interview mit Claudio Thomasin, Senior Director Science & Technology bei Janssen Vaccines (Johnson & Johnson)

Blogbeitrag von Johnson & Johnson zur World Antimicrobial Awareness Week, 2023

Claudio Thomasin ist Senior Director Science & Technology bei Janssen Vaccines (Johnson & Johnson) in Bern. Er hat bedeutende Erfahrungen in der Leitung von Pilotanlagen und der Einführung innovativer Technologien, insbesondere im Bereich Lentivirus-Programme und Impfstoffentwicklung. Claudio Thomasin ist zertifizierter Apotheker und verfügt über einen Doktortitel in Pharmazeutischen Wissenschaften der ETH Zürich.

In einem Interview diskutiert er die Rolle von präventiven Impfungen im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen sowie seine Arbeit an bakteriellen Impfstoffen.

Bitte stellen Sie sich und Ihre Arbeit kurz vor.

Ein multifunktionelles Team, bestehend aus Biotechnologen, Prozessingenieuren, Analytikern, Technikern, Qualitäts- und regulatorischen Fachleuten arbeiten bei Johnson & Johnson in Bern eng zusammen, um einen multivalenten, bakteriellen Impfstoff zur Vorbeugung von Harnwegsinfekten und bakteriellen Blutvergiftungen zur Marktreife zu entwickeln.

In den letzten sieben Jahren hat dieser Impfstoff erfolgreich die klinischen Versuchsphasen I-III durchlaufen. Dabei wurde auch der Herstellungsprozess auf die kommerzielle Chargengrösse hochskaliert. Der Impfstoff setzt sich aus 9 unterschiedlichen Zucker-Proteinverbindungen, sogenannten Glycokonjugaten, zusammen. Diese rufen nach der Verabreichung am Menschen die spezifische Immunantwort gegenüber diesen Antigenen hervor. Die Zuckermoleküle stammen aus der Zellmembran des E. Coli-Bakteriums und decken einen Grossteil jener pathologischen Bakterienstämme ab, die Harnwegsinfekte oder gar Blutvergiftungen verursachen können.

Was genau versteht man unter ExPEC? Und wo besteht hier die Gefahr?

Wir alle tragen das Darmbakterium E. coli als einen notwendigen Bestandteil unserer Darmflora in uns. Gewisse Stämme des E. Coli Bakteriums können aber ausserhalb des Darmtraktes auch Infektionen des Urogenitaltraktes, Durchfallerkrankungen oder im schlimmsten Fall sogar Blutvergiftungen verursachen. Diese sogenannten extraintestinalen pathogenen Escherichia coli-Keime, kurz ExPEC-Bakterien, können vor allem für ältere Menschen gefährlich werden. Oftmals zeigen diese Keime bereits ein ausgeprägtes Resistenzverhalten gegenüber Standard-Antibiotika, wodurch die Behandlung dieser Infektion erheblich erschwert wird. Gemäss dem aktuellen BAG-Factsheet zu Antibiotikaresistenzen inn der Schweiz sprechen bereits mehr als 10% der durch ExPEC ausgelösten Infektionen nicht mehr auf die gängigsten Antibiotika wie Breitband-Cephalosporine oder Fluorchinolone an.

Warum sind vor allem ältere Personen betroffen?

Kurz gesagt: Die Immunität nimmt mit dem Alter ab, so dass es für das Immunsystem generell schwieriger wird, Infektionen im Körper zu bekämpfen. Zudem nimmt im Alter oftmals auch die Zahl invasiver Operationen oder Eingriffe zu, wodurch sich das Risiko für bakterielle Entzündungen erhöht.

Welche Erkrankungen können sie auslösen?

Tatsächlich sind ExPEC-Bakterien für die Mehrheit der Harnwegsinfektionen (UTIs) verantwortlich. Ältere Menschen sind anfälliger für Harnwegsinfektionen, da die Blasenmuskulatur mit zunehmendem Alter schwächer wird und sich die Blase daher nicht mehr so leicht vollständig entleeren lässt. Je länger der Urin in der Blase verbleibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich eine ExPEC-Infektion entwickeln kann. Von dort aus kann es zu einer lebensbedrohlichen Bakteriämie (Infektion der Blutbahn) und Sepsis (Blutvergiftung) kommen, wenn die Bakterien in die Blutbahn gelangen. Oftmals treten Harnwegsinfektionen mehrmals auf, was die Behandlung zusätzlich erschwert.

Warum sind gerade diese Bakterien häufig resistent gegen Antibiotika?

Harnwegsinfektionen gehören zu den häufig auftretenden Infektionen beim Menschen und müssen meist durch Antibiotika behandelt werden. Die Bakterien haben im Laufe ihrer Evolution ausgeklügelte Mechanismen entwickelt, mit denen sie die Wirkung der Antibiotika unterwandern können. Je unspezifischer und je häufiger dieselben Antibiotika eingesetzt werden, umso höher ist der Selektionsdruck auf die Bakterien, mit einer Resistenzentwicklung auf die Antibiotika-Behandlung zu antworten. Folglich kann eine (mehrfache) Behandlung von Harnwegsinfektionen mit Antibiotika die Resistenz von ExPEC-Bakterien gegen Antibiotika fördern. Behandlungen werden somit langwieriger und kostspieliger, und im schlimmsten Fall, wenn auch Reserveantibiotika ihren Dienst versagen, werden solche Infektionen lebensgefährlich.

Wie tragen Sie mit Ihrer Arbeit dazu bei, dass diese Bakterien bekämpft werden können?

Es gibt mehrere Arten von Impfstoffen gegen bakterielle und virale Krankheiten. Die meisten Menschen sind wahrscheinlich mit Impfstoffen vertraut, die mit inaktivierten oder abgeschwächten Viren und Bakterien hergestellt werden – zum Beispiel die Grippeimpfung und die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR).

Bei Patienten, die ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfektionen aufweisen, kann die präventive Impfung mit einem Konjugat-Impfstoff, einen wirksamen Schutz vor bakteriellen Infektionen aufbauen. Das Trägerprotein führt zu einer stärkeren Immunreaktion als die alleinige Verwendung der Polysaccharid-Komponente, da Proteine im Vergleich zu Polysacchariden vom Immunsystem leichter erkannt werden. Dieses Impfstoffprinzip wurde bereits erfolgreich bei der Herstellung von bakteriellen Impfstoffen für Kinder gegen Meningitis und Lungenentzündung angewandt.

Solche Konjugat-Impfstoffe sind im klassischen Verfahren sehr aufwendig in ihrer Herstellung, da erst die Zuckerverbindungen aus den Bakterien isoliert und dann mittels einer chemischen Reaktion (Konjugation) an das separat hergestellte Trägerprotein gebunden und aufgereinigt werden müssen.

Bei Johnson & Johnson haben wir ein vereinfachtes und sehr elegantes Verfahren weiterentwickelt, bei dem diese chemische Synthese komplett entfällt und stattdessen von gentechnologisch modifizierten Bakterien im Fermenter durchgeführt wird. Dabei koppelt das Bakterium selbständig seine spezifischen Zuckerkomponenten an ein Trägerprotein, das es zuvor selbst in der Zelle hergestellt hat. Wir nennen diesen Prozess Biokonjugation. Diese Biokonjugat-Verbindung kann dann nach abgeschlossener Fermentation im Bioreaktor über einen zweiten Verfahrensschritt aus der Bakterienzelle gewonnen und in einem mehrstufigen Prozess so aufgereinigt werden, dass Reinheitsgrade von über 98% erzielt werden.   

Mehr zu Antibiotikaresistenzen und der Pharmaindustrie

Georg Därendinger

Mitglied der Geschäftsleitung / Leiter Kommunikation

+41 79 590 98 77

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