Blogbeitrag: Kostendämpfung – Der Innovationszugang muss umfassend verbessert werden - Interpharma

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3. Juli 2023

Blogbeitrag: Kostendämpfung – Der Innovationszugang muss umfassend verbessert werden

Kostendämpfende Massnahmen dürfen nicht zulasten von Qualität und Versorgung im Gesundheitswesen gehen. In der Schweiz bestehen seit Jahren grosse Probleme beim Patientenzugang zu innovativen Medikamenten, weil der heutige Prozess der Nutzenbewertung und Vergütung veraltet ist. Ziel muss sein, dass alle Patientinnen und Patienten, die dringend auf ein Medikament angewiesen sind, rasch Zugang dazu erhalten. Der Patientenzugang ist daher im Rahmen der Debatte zum Kostendämpfungspaket 2 umfassend anzugehen.
Interpharma schlägt vor, dass zum Zeitpunkt der Swissmedic-Zulassung sofort ein vorläufiger Preis durch das BAG gesetzt und das Medikament in die Spezialitätenliste aufgenommen wird. Das von der SGK-N vorgeschlagene, ähnliche Modell ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Interpharma bekennt sich zu einem qualitativ hochstehenden und nachhaltig finanzierten Gesundheitswesen für alle. Wir unterstützen dieses Ziel und tragen mit verschiedenen Massnahmen massgeblich dazu bei – insbesondere durch die jährlich wiederkehrenden Einsparungen von über 1.2 Milliarden Franken bei Medikamenten durch die dreijährlichen Preissenkungsrunden des BAG.

Kostendämpfende Massnahmen dürfen aber keinesfalls zulasten von Qualität und Versorgung im Gesundheitswesen gehen: Denn neben den Kosten- hat das KVG auch Qualitäts- und Versorgungsziele, die gleichberechtigt zu behandeln sind (siehe Art. 43 Absatz 6 KVG). Dies ist auch die Meinung der Bevölkerung: Laut dem Gesundheitsmonitor 2023 wünschen sich 95% der Bevölkerung unverzüglichen Zugang zu neuen Medikamenten.  

Quelle: Gesundheitsmonitor 2023, gfs.bern

Die Schweiz hat ein Zugangsproblem bei innovativen Medikamenten

Bei neuen, hochinnovativen Therapien stösst das heutige Vergütungssystem zunehmend an seine Grenzen. In der Schweiz bestehen seit Jahren Probleme beim Zugang zu neuen innovativen Medikamenten. Patientinnen und Patienten müssen in der Schweiz bei innovativen Medikamenten teilweise Monate oder gar Jahre warten, bis diese auf die Spezialitätenliste (SL) genommen und damit durch die Krankenkassen vergütet werden und somit allen Menschen gleichberechtig zur Verfügung stehen: KLV Art. 31b besagt, dass der Entscheid über die SL-Aufnahme durch das BAG in der Regel innert 60 Tagen gefällt werden muss. Im Jahr 2022 war das nur bei rund einem Viertel der Gesuche der Fall. In 50% aller Fälle dauert es zwischen 60 und 365 Tagen und in 24% der Fälle sogar mehr als ein ganzes Jahr. Von der Marktzulassung bis zur Aufnahme in die Spezialitätenliste dauerte es im Jahr 2022 durchschnittlich (Median) 135 Tage. Bei hochinnovativen Medikamenten (first-in-class)[1] dauert es sogar überdurchschnittlich lange (N=9, Median 224 Tage).

Preismodelle sind wichtig, aber noch keine umfassende Lösung

Für die forschenden Pharmaunternehmen steht der Patientenzugang an erster Stelle: Alle Patientinnen und Patienten, die dringend auf ein Medikament angewiesen sind, sollten auch raschen Zugang dazu erhalten. Der Patientenzugang ist daher im Rahmen der Debatte zum Kostendämpfungspaket 2 (KP2) umfassend zu modernisieren und zu beschleunigen – schliesslich ist der Handlungsbedarf gegeben und die Verbesserung des Patientenzugangs ist ein erklärtes Ziel des Bundesrats bei der Vorlage.  

Ein Bestandteil der politischen Diskussionen ist die rechtliche Verankerung von Preismodellen – sie sind heute internationale Praxis. Preismodelle ermöglichen einen raschen Zugang zu neuen, innovativen Therapien in Situationen, in denen es noch Unsicherheiten bei der Vergütung gibt (z.B. unsichere Evidenzlage; pay-for-performance-Modelle). In der Schweiz sind solche Modelle klar die Ausnahme: Nur 4% aller Medikamente auf der Spezialitätenliste (SL) haben ein Preismodell, und davon ist nur die Hälfte semi-vertraulich. Damit die Patienten trotz komplexer Prozesse und Fragen schnellen Zugang zu neuen Medikamenten erhalten, wird in diesen wenigen Fällen (derzeit 74 von rund 3’200 Medikamenten auf der Spezialitätenliste) zwischen Staat und Pharmaunternehmen Stillschweigen über die Vergütungskonditionen vereinbart. Das BAG, die Krankenkassen und die Firmen kennen den Preis und die vereinbarten Konditionen aber auch in diesen Fällen. Gemäss dem BAG werden solche Vergütungsmodelle nur eingesetzt, wenn die Rückerstattungen mehr als 25% des Preises betragen (vgl. Faktenblatt BAG). Das zeigt die kostendämpfende Wirkung für das Gesundheitssystem. Tatsache ist also, dass solche Preismodelle für die Industrie primär Umsatzeinbussen bedeuten. Die Pharmaindustrie der Schweiz ist aber bereit diese mitzutragen, wenn dafür der Patientenzugang verbessert wird.

Preismodelle sind aktuell in vielen Fällen der einzige Weg, um schnellen Patientenzugang in schwierigen Situationen zu gewährleisten. Aber sie lösen nicht die zugrundeliegenden Probleme. Wir befürworten sie daher nur, wenn der Patientenzugang als Ganzes umfassend beschleunigt werden kann und Patientinnen und Patienten in der Schweiz schnellen, rechtsgleichen Zugang zu teils lebensrettenden, bahnbrechenden Innovationen erhalten.

Innovationszugang umfassend modernisieren

Doch Massnahmen wie Preismodelle alleine reichen nicht, um die Probleme beim Patientenzugang in der Schweiz nachhaltig zu lösen. In den Arbeiten rund um das KP2 müssen die bestehenden Probleme daher grundlegend angegangen werden. Das Konzept des rückvergüteten Innovationszugangs bietet eine gute Möglichkeit, um Patientinnen und Patienten ab dem Tag der Marktzulassung durch Swissmedic den Zugang zu innovativen Arzneimitteln zu ermöglichen: Der rückvergütete Innovationszugang kann den ordentlichen SL-Prozess optimieren und den unmittelbaren, gleichberechtigten Zugang für alle Patientinnen und Patienten sicherstellen.

Kernelement dabei ist, dass zum Zeitpunkt der Swissmedic-Zulassung sofort ein vorläufiger Preis durch das BAG gesetzt und das Medikament in die Spezialitätenliste aufgenommen wird. Das BAG hat danach neu ein Jahr Zeit (statt 60 Tage), um einen definitiven Preis festzulegen. Die Preisdifferenz zwischen dem vorläufigen und dem definitiven Preis neuer Arzneimittel wird von der Herstellerfirma zurückerstattet. Gleichzeitig stellt der vorgeschlagene Rückzahlungsmechanismus sicher, dass die WZW-Kriterien jederzeit eingehalten werden. Durch den signifikant reduzierten administrativen Aufwand auf Seiten der Leistungserbringer (im Vergleich zur aufwändigen Einzelfallprüfung) sowie der späteren Durchführung des Auslandpreisvergleichs sind auch Kosteneinsparungen garantiert. So gewinnen alle: Die Patientinnen und Patienten erhalten sofort und gleichberechtigt sowie unkompliziert Zugang, das BAG hat 305 Tage mehr Zeit für die Verhandlungen und die Pharmaunternehmen können ihre Innovationen schneller zu den Menschen bringen.

Interpharma begrüsst daher sehr, dass ein entsprechendes Modell von der nationalrätlichen Gesundheitskommission im Rahmen des KP2 vorgeschlagen wird. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Interpharma wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass dieser grosse Reformschritt zugunsten der Patientinnen und Patienten sowie des gesamten Gesundheitswesens erfolgreich unternommen werden kann.


[1] First-in-class Definition gemäss U.S. Food and Drug Administration (FDA).

Markus A. Ziegler

Mitglied der Geschäftsleitung / Leiter Market

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