Auslandpreisvergleich bestätigt: Medikamente sind kein Kostentreiber - Interpharma

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1. Juni 2022

Auslandpreisvergleich bestätigt: Medikamente sind kein Kostentreiber

Der dreizehnte Auslandpreisvergleich bei Medikamenten hat erneut gezeigt, dass patentgeschützte Medikamente nicht wirklich teurer sind als im Ausland. Entgegen dem oft gehörten Klischee sind Medikamente nicht die Kostentreiber im Schweizer Gesundheitswesen, wie die verfügbaren Daten klar zeigen. Ein wirkliches Problem lauert anderswo, nämlich bei der Verzögerung beim Patientenzugang.

Die 250 umsatzstärksten patentgeschützten Originalpräparate der Spezialitätenliste sind im vergleichbaren Ausland im Durchschnitt 8.8% günstiger als in der Schweiz. Dies ergibt der dreizehnte gemeinsame Auslandpreisvergleich von santésuisse und Interpharma. Die diesjährigen Ergebnisse zeigen einmal mehr auf, wie wichtig eine differenzierte Betrachtung ist. Denn Medikamente sind nicht gleich Medikamente, wenn es etwa um die Preisfestsetzung, das Preisniveau, aber auch um die Wirkungsweisen geht. Für uns als forschende Pharmaindustrie stehen dabei die innovativen, patentgeschützten Medikamente im Zentrum. Und diese sind heute auf einem mit dem Ausland vergleichbaren Niveau:

Patentgeschützte Medikamente kosten fast gleich viel wie im Ausland

Verglichen mit vielen anderen Produkten ist der Preisunterschied zum Ausland sehr klein. Wie schon letztes Jahr ist die Preisdifferenz im Wesentlichen durch den starken Schweizerfranken und damit durch den Wechselkurs getrieben. Wären die Wechselkurse konstant geblieben, wären es heute nur 5% Preisdifferenz, und der Preis-Abstand von den Vergleichsländern zur Schweiz hätte sich sogar verringert. Vergleicht man zudem kaufkraftbereinigt, zeigt sich, dass neue wirksame Medikamente in der Schweiz sogar günstiger sind als in den meisten Nachbarländern. Das ist bemerkenswert, denn die Schweiz ist generell ein teures Land – gerade auch, wenn man die Preisindizes mit anderen Güterklassen vergleicht. Viele Produkte, Dienstleistungen insgesamt und aber auch Staatsdienstleistungen sind in der Schweiz rund 40% günstiger als im vergleichbaren Länderkorb. Aber auch andere private Konsumausgaben und individuelle Dienstleistungen sind im Schnitt teils doppelt so teuer wie im vergleichbaren Ausland.

Nun sind Preise aber nicht Kosten. Und hier kommen die Volumina ins Spiel. In der Tat sehen wir, dass das gestiegene Volumen den Gesamtmarkt um über 6% nach oben zieht. (insbesondere die Bereiche Krebs und Autoimmunerkrankungen). Das Mengenwachstum ist im Wesentlichen durch die demografische Entwicklung, insbesondere die Alterung, getrieben. In der Tat würde die Altersstruktur sogar ein noch stärkeres Wachstum erwarten lassen als die +4,4% für das Jahr 2021. Dieser Umstand hängt mit den systematischen dreijährlichen Preisüberprüfungen von Medikamenten durch das BAG zusammen – sie führen zu jährlich wiederkehrenden Einsparungen von über 1.2 Milliarden Franken. Die Pharmaindustrie ist die einzige Akteurin im Schweizer Gesundheitswesen, welche durch solche Preisüberprüfungen einen substanziellen Beitrag zur Kostendämpfung leistet. Die Preissenkungen bei den Medikamenten trugen also dazu bei, dass das Marktwachstum von über +6.3% auf +4.4% reduziert werden und letztlich um -2.3% gedämpft werden konnte.

Medikamente sind nicht der Kostentreiber im Gesundheitswesen

Als Konsequenz daraus zeigen die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik klar: Der Anteil der Medikamentenkosten an den Gesundheitskosten ist stabil, mit 11.7% an den gesamten Gesundheitskosten oder 21% an den OKP-Kosten. Und dies ist keine Momentaufnahme, sondern eine konstante Entwicklung seit mehr als 10 Jahren. Die Medikamentenkosten wachsen seit Langem unterdurchschnittlich, obschon seither viele neue innovative Medikamente auf den Markt gekommen sind. Die Medikamentenpreise als Grund  für das Prämienwachstum vorschieben zu wollen, ist aufgrund der Daten schlicht nicht haltbar.

Ein Grund dafür ist, dass Medikamente nicht nur ein Preisschild, sondern auch einen grossen Nutzen haben: Neue Therapien helfen nicht nur Patientinnen und Patienten nicht nur hier und heute, sondern auch noch in vielen Jahren, und dies bei abnehmenden Preisen. Ein Beispiel dafür ist der Cholesterinsenker Sortis (Wirkstoff Atorvastatin): Im Jahre 2011 war Sortis mit rund 110 Mio. Franken zu Fabrikabgabepreisen das umsatzstärkste Produkt in der Schweiz. Jedes innovative Medikament hat ein Patentablaufdatum und so ist auch dasjenige von Sortis im Jahr 2012 ausgelaufen. Seither haben sich die Kosten für Atorvastatin halbiert, während heute viel mehr Patientinnen und Patienten von zahlreichen Generika mit dem Wirkstoff Atorvastatin profitieren. Der Patienten-Nutzen hat sich damit verbreitert und hält bis heute an. Das ist nicht die Ausnahme, sondern es ist der Lebenszyklus der Innovation. Die enormen Risiken und Kosten in der Forschung werden im Erfolgsfall durch den Patentschutz honoriert – eine zentrale Voraussetzung der Grundversorgung, denn es gilt: Innovative Medikamente von heute sind die Generika von morgen.

Innovationen senken Krankheitskosten – sofern sie zugänglich sind

 

Damalige Prognosen sahen aufgrund des Umsatzes von Sortis eine Kostenexplosion und einen drohenden Kollaps des Gesundheitswesens voraus. Wir wissen heute: Diese alarmistischen Prognosen waren falsch. Bahnbrechende Medikamente der Gegenwart heissen anders, doch die Entwicklung wird die gleiche sein: Trotz kritisierter Preise werden sie für lange Zeit hohen Nutzen stiften – bei abnehmenden Kosten.

Eine kürzlich publizierte Studie der Columbia University (Lichtenberg 2022) zeigt zudem eindrücklich, wie pharmazeutische Innovationen zwischen 1994 und 2010 die frühzeitige Mortalität bei unter 85-Jährigen beispielsweise um etwa ein Drittel reduzierten und die Hospitalisierungen in 2019 um 2 Millionen Tage senken konnten. 2 Millionen weniger Nächte im Spital entsprechen rund 3 Mrd. Franken an Kosteneinsparungen im Gesundheitswesen! Hochinnovative Medikamente können die direkten und indirekten Krankheitskosten unter dem Strich also senken.

Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass gerade in der Schweiz grosse Probleme beim Zugang zu hochinnovativen Medikamenten bestehen: Seit 2016 werden neue Therapien, welche Swissmedic als sicher und nützlich beurteilt hat, immer seltener innerhalb der vorgesehen 60 Tage auf die Spezialitätenliste aufgenommen und sind daher nicht für alle Patienten verfügbar. Im letzten Jahr brauchte das BAG im Durchschnitt 217 Tage für die Vergütung. Das heisst: Wir haben in der Schweiz ein strukturelles Problem, wenn es um einen schnellen und gleichberechtigen Zugang der Patientinnen und Patienten zu neuen, hochinnovativen Medikamenten in der Schweiz geht. Laut Statistik kamen im letzten Jahr nur 10% (3 von 29) der aufgenommenen Produkte innerhalb von 60 Tagen auf die Spezialitätenliste. Das ist das wahre Problem im Gesundheitswesen und ein Armutszeugnis für eines der angeblich besten Gesundheitssysteme der Welt.

Rückvergüteter Innovationszugang, um Verzögerungsprobleme zu lösen

Grund dafür ist, dass das an sich bewährte Standardsystem der Medikamentenvergütung mit dem Aufkommen an neuartigen Therapieansätzen und bahnbrechenden Fortschritten an seine Grenzen stösst. Das ist ein unhaltbarer Zustand, denn es geht um viele Patientenschicksale. Es darf nicht sein, dass der Konflikt zwischen BAG und Industrie auf Kosten des rechtsgleichen und schnellen Zugangs für Patientinnen und Patienten geht. Deshalb haben wir von Seiten Interpharma einen weitgehenden, konkreten Vorschlag erarbeitet, um den notleidenden Patienten und Patientinnen endlich eine Lösung anbieten zu können: Den Rückvergüteten Innovationszugang (RIZ).  Interpharma fordert, dass Patientinnen und Patienten ab dem Tag der Marktzulassung durch Swissmedic den Zugang zu innovativen Arzneimitteln über die Spezialitätenliste erhalten (wie es etwa bei den COVID-Impfstoffen der Fall war).

Um das zu erreichen, setzt das BAG einen vorläufigen Preis fest. Dieser gilt für maximal 365 Tage. Weicht der definitive Preis des BAG vom vorläufigen ab, so verpflichten sich die Pharmaunternehmen, die Differenz zurückzuerstatten.

Durch diesen Vorschlag könnten jedes Jahr zahlreiche Dossiers mit einem grossen medizinischen Bedarf gelöst werden. Dieser Prozess garantiert den Patientinnen und Patienten in der Schweiz erstens unverzüglichen Zugang zu Innovationen. Zweitens wird wertvolle Zeit gewonnen für die Preisfindung zwischen dem BAG und den Firmen. Drittens stellt der vorgeschlagene Prozess durch die Rückzahlungspflicht der Herstellerin sicher, dass die vergüteten Preise ab dem ersten Tag wirtschaftlich sind.

So sorgen wir dafür, dass wieder die Patienten im Mittelpunkt unseres Gesundheitswesens stehen.

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